BOF-Evaluation: Das Wichtigste in Kürze

2023 ging nach sechsjähriger Laufzeit die Förderung von BOF zu Ende. Mit dem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung finanzierten Programm „Berufliche Orientierung für Zugewanderte (BOF)“ sollten Geflüchtete und Zugewanderte auf eine Ausbildung vorbereitet und vermittelt werden.

In der 2022 durchgeführten Evaluation befragte die Prognos AG Teilnehmende, Projekt- und Betriebspersonal sowie Netzwerkpartner zu ihren Erfahrungen.

Teilnehmende aus über 100 verschiedenen Herkunftsländern

Seit 2017 haben im Durchschnitt über 1.000 Personen mit Flucht- und Migrationserfahrung pro Jahr an einem der bundesweit angebotenen BOF-Kurse teilgenommen. Bis Ende 2022 waren dies insgesamt 6.500 Teilnehmende, Ende 2023 stieg die Anzahl auf knapp 8.000. Die Umsetzung des Kurses erfolgte dabei im Verlauf der Jahre an über 100 verschiedenen Berufsbildungsstätten. Die meisten Kurse wurden in Nordrhein-Westfalen, Bayern und Berlin angeboten.

Eine große Heterogenität der Teilnehmenden zeigte sich sowohl bei der Herkunft als auch beim Alter. Die Teilnehmenden kamen aus über 100 verschiedenen Herkunftsländern, die meisten aus Syrien (knapp 28 Prozent) und Afghanistan (knapp 18 Prozent). Mit dem Ausbruch des Krieges in der Ukraine ist der Anteil der ukrainischen BOF-Teilnehmenden stark gestiegen. Diese bildeten im Jahr 2022 die drittstärkste, Ende 2023 sogar mit 20 Prozent die stärkste Gruppe.

Mit dem Wegfall einer Altersbegrenzung als Voraussetzung zur Kursteilnahme im Jahr 2019 zeigte sich ein Bedarf an Beruflicher Orientierung auch bei Zugewanderten, die das klassische Alter der Berufsorientierungsphase bereits überschritten haben. Etwa 80 Prozent der Teilnehmenden, die zwischen 2016 und Ende 2022 einen BOF-Kurs besuchten, waren über 25 Jahre alt. Das durchschnittliche Alter in diesem Zeitraumlag bei 28 Jahren.

Während zu Programmbeginn überwiegend Männer an einem BOF-Kurs teilnahmen (ca. 95 Prozent), stieg der Anteil an Frauen über den Verlauf stetig an. Ende 2022 waren 36 Prozent (Bericht, S. 20) und im Dezember 2023 insgesamt 40 Prozent (nachträgliche BIBB-Auswertung) der Teilnehmenden weiblich.

Forschungsdesign

Ziel der Evaluation

Bei der Evaluation wurde die Zielerreichung, Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit des Programms „Berufsorientierung für Flüchtlinge (BOF)“ untersucht. Der Fokus lag dabei auf der Betrachtung der Gewinnung von Teilnehmenden, der Umsetzung der Elemente von BOF sowie dem Mehrwert für die Kompetenzentwicklung.

Methodische Umsetzung

  • Auswertung der Daten aller bisherigen Teilnehmenden aus dem BOF-Portal und Analyse von Dokumenten, wie Projektberichten und Protokollen.
  • Schriftliche Online-Befragung des gesamten Projektteams bestehend aus Projektleitung, Fach- und Sprachlehrkräften, Ausbilderinnen und Ausbildern sowie Pädagogischer Begleitung (N=131 von 59 ehemaligen und aktuellen Projektträgern).
  • Schriftliche Online-Befragung von aktuellen und ehemaligen Teilnehmenden in Einfacher Sprache (N=115).
  • Vertiefungsstudien an fünf Standorten mittels qualitativen Interviews mit Teilnehmenden, Gruppengesprächen mit dem Projektpersonal einschließlich Netzwerkpartnern und Telefoninterviews mit am Projekt beteiligtem Betriebspersonal.

Wichtig für die Akquise: Netzwerkpartner und persönliche Gespräche

Die Berufsbildungsstätten hatten die Aufgabe, Zugewanderte über das Angebot zu informieren und für die Teilnahme an einem Kurs zu gewinnen. Dies war, so die befragten Projektleitungen, eine der größten Herausforderungen bei der Umsetzung des Projekts, weil es entweder andere Angebote für die Zielgruppe gab oder viele Angesprochene den Mehrwert einer Ausbildung für sich nicht sahen bzw. die sprachlichen Voraussetzungen für den Kurs nichtmitbrachten (siehe Tabelle 1).

Aus der Evaluation geht hervor, dass die Erstansprache aus Sicht der Projektleitungen besonders erfolgreich war, wenn sie über Netzwerkpartner (63 Prozent) und über das gezielte Aufsuchen an informellen Orten (55 Prozent) geschah. Darauf folgen gleichrangig mit ca. 52 Prozent die informellen Kontakte zur Zielgruppe, eine offene Sprechstunde oder die Kooperation mit vorgelagerten Angeboten. Hier wurde insbesondere mit dem Programm „Willkommenslotsen“ und mit den Migrationsberatungsstellen bzw. Jugendmigrationsdiensten zusammengearbeitet.

Tabelle 1: Wie wird die Zielgruppe angesprochen?

Tabelle 1
Quelle: Befragung der Projektleitungen 2022. Hinweis: Es haben nur diejenigen eine Einschätzung zum Erfolg der jeweiligen Ansätze abgegeben, die angegeben haben, diese zu nutzen. © Prognos 2023

Praktisches Arbeiten in Werkstätten besonders hilfreich für Berufswahlprozess

Sowohl nach Aussage der Teilnehmenden als auch der Projektleitenden hat das Probearbeiten in Werkstätten und Praxisräumen eine enorme Bedeutung für die spätere Berufswahlentscheidung. Eine große Mehrheit der befragten Teilnehmenden (86 Prozent) weiß nach eigenen Angaben durch die Zeit in der Werkstatt, welchen Beruf sie erlernen möchte. Insbesondere ist nach ihrer Ansicht die praktische Erprobung hilfreich, um eigene Kompetenzen besser einschätzen zu können und um zu verstehen, welches die Anforderungen für eine Ausbildung sind und welche Aufgaben ein bestimmter Beruf beinhaltet (siehe Tabelle 2).

Tabelle 2: Wie hat Ihnen die Zeit in der Werkstatt geholfen? Durch die Zeit in der Werkstatt weiß ich, ...

Tabelle 2
Quelle: Befragung der Teilnehmenden 2022 © Prognos 2023

Die Projektleitungen bestätigten zu 88 Prozent, dass die Tage in den Werkstätten zu einer besseren Einschätzung der Fähigkeiten der Teilnehmenden beitragen. Während der Werkstatttage konnten sich die Teilnehmenden in unterschiedlichen Berufsfeldern ausprobieren und (neue) berufliche Interessen entdecken. Im Gruppengespräch schilderten Projektmitarbeitende einiger Standorte, wie Frauen erstmalig auch Zugang zu eher männlich konnotierten Berufsfeldern erhielten und zum Beispiel ein Interesse an Handwerksberufen geweckt wurde.

Durch die Arbeit in den Werkstätten bot der geschützte Raum eine gute Möglichkeit, damit die Teilnehmenden neben den fachlichen auch die sozialen und persönlichen Fähigkeiten ausbauen konnten. Team- und Kommunikationsfähigkeit konnten hier besonders gefördert werden.

Hoher Anspruch an integrierten Fach- und Sprachunterricht

Beim integrierten Fach- und Sprachlernen (IFSL) geht es um eine Verknüpfung zwischen dem sprachbewussten Fachunterricht, dem berufsbezogenen Sprachunterricht mit den praktischen Elementen von BOF, Werkstatt und Betriebsphase. Etwas mehr als drei Viertel der befragten Mitarbeitenden finden, dass das IFSL in besonderem Maße den sprachlichen Lernerfolg der Teilnehmenden fördert (ebd., S. 59). Die Fach- und Sprachlehrkräfte gaben zu zwei Dritteln an, dass sowohl die Planung als auch die Umsetzung des IFSL-Ansatzes jedoch viel Zeit in Anspruch nehme. Aus den Gesprächen vor Ort wurde deutlich, dass dies vor allem mit der hohen Heterogenität der Teilnehmenden zusammenhängt. Es sei wichtig, die individuellen Bedürfnisse wahrzunehmen und im Kollegium permanent im Austausch zu bleiben. Zudem sei eine hohe Flexibilität von allen Beteiligten bei der Umsetzung gefordert.

Ein Drittel der Träger hat ein eigenes Konzept zur Verzahnung des Fach- und Sprachunterrichts entwickelt. Hilfreich war, dass über die Hälfte der befragten Lehrkräfte bereits Vorerfahrungen hierzu hatten und etwas weniger als die Hälfte für die Einführung des Ansatzes an Fortbildungen teilgenommen haben.

Zusammenspiel der BOF-Elemente unterstützt erfolgreiche Vermittlung

Die Kombination aus praxisorientierter Berufsorientierung in Werkstätten und Betrieben, integriertem berufsbezogenen Fach- und Sprachunterricht plus individueller Begleitung hat sich als zielführend erwiesen. Laut Auswertung des BOF-Portals gingen von allen Absolventinnen und Absolventen bis Ende 2022 ca. 25 Prozent direkt in eine Ausbildung und 15 Prozent in eine Einstiegsqualifizierung. Damit erreichten insgesamt 40 Prozent nach dem BOF-Kurs das gewünschte Ziel. Hervorzuheben ist zudem der „Klebeeffekt“: Alle interviewten ehemaligen Teilnehmenden wurden in den Ausbildungsbetrieb vermittelt, in dem sie ihre Betriebsphase absolviert haben. Zwölf Prozent entschieden sich für eine Arbeitsaufnahme (siehe Tabelle 3).

Tabelle 3: Verbleib der Teilnehmenden nach regulärer Beendigung des BOF-Kurses

Tabelle 3
Quelle: BOF-Portal, Stand 06.01.2023. Hinweis: Alle Teilnehmenden der Jahre 2016 bis 2022 © Prognos 2023

Empfehlungen

Auf der Grundlage der Ergebnisse empfehlen die Autorinnen und Autoren der Evaluationsstudie vier Maßnahmen für eine Weiterentwicklung des Programms.

1. Einführung von Standards für Netzwerkarbeit

Die Netzwerkarbeit wird insbesondere von zwei Aspekten beeinflusst: Sie ist zum einen häufig abhängig von der individuellen Vernetzung einzelner Mitarbeitenden, die dann mit deren Weggang wieder verloren gehen. Zum anderen zeigt sich, dass die Gewinnung von Teilnehmenden davon beeinflusst wird, inwieweit Regelinstitutionen, wie das Jobcenter oder die Ausländerbehörde, das BOF-Angebot kennen und mit diesem kooperieren.

Entsprechend wird empfohlen, den Bekanntheitsgrad von BOF bei den relevanten Institutionen der Regelstruktur u.a. durch einheitlichere Grundvoraussetzungen bei der Aufstellung der Netzwerke der Träger zu erhöhen bzw. zu gewährleisten

2. Orientierungsphase zur besseren Passung

Darüber hinaus empfiehlt die Studie die Einführung einer Orientierungsphase, damit sowohl Interessierte als auch Projektträger intensiver prüfen können, ob der Kurs zum aktuellen Zeitpunkt die richtige Unterstützung auf dem Weg zu einem Berufsabschluss ist. Häufig stellt sich erst im Verlauf des Kurses heraus, dass fachliche und sprachliche Kompetenzen noch nicht ausreichend sind oder die persönliche Situation die Aufnahme einer Ausbildung erschwert.

3. Sensibilisierung und systematische Unterstützungsangebote für Betriebe

Betriebe zeigen zwar Interesse an einer Ausbildung von Zugewanderten, unterschätzen jedoch häufig die damit verbundenen Herausforderungen und kennen auch oft nicht ausreichend begleitende Unterstützungsangebote. Entsprechend sollte, so die Empfehlung, im Rahmen eines BOF-Projekts, das Ausbildungspersonal auf die herausfordernden Aufgaben intensiver vorbereitet und bereits früh mit weiterführenden Angeboten zur Ausbildungsunterstützung bekannt gemacht werden.

4. Persönliche Übergabe der Teilnehmenden an weitere Betreuung

Zudem sollte der Abgang von Teilnehmenden aus dem BOF-Kurs systematischer gestaltet werden. Reine Verweisberatungen oder Informationen zu möglichen Anlaufstellen erweisen sich vielfach als nicht ausreichend, insbesondere aufgrund der teils multiplen Problemlagen der Zielgruppe. Der Bericht empfiehlt eine persönlichere Übergabe, die gemeinsam zwischen Teilnehmenden, vertrautem Personal beim Träger sowie weiterführenden Begleitungsstellen geplant bzw. angebahnt wird.

Diese Empfehlungen wurden weitestgehend in der Förderrichtlinie vom 01.02.2024 des Folgeprogramms „Berufliche Orientierung für Personen mit Flucht- und Migrationserfahrung (BOFplus)“ aufgegriffen. Was sich konkret mit dem BOFplus-Programm geändert hat, erfahren Sie in dem Artikel BOFplus - das neue Programm.

BOFplus - das neue Programm

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BOF-Evaluation-Abschlussbericht