Allgemeine Informationen zu den praxisorientierten BO-Tagen
Die Ärmel hochkrempeln und sich in verschiedenen Berufsfeldern selbst erproben – ab Antragsrunde 2023 findet dies in den „praxisorientierten Tagen zur Beruflichen Orientierung“ des Berufsorientierungsprogramms statt.
Weiterentwicklung und Neuausrichtung
Mit der neuen Förderrichtlinie zum Berufsorientierungsprogramm (BOP) aus dem Jahr 2022 haben die ehemaligen „Werkstatttage“ nicht nur einen neuen Namen, sondern auch eine weiterentwickelte Ausrichtung. Im Folgenden erfahren Sie mehr über die „praxisorientierten Tage zur Beruflichen Orientierung“ – kurz „praxisorientierte BO-Tage“ oder einfach „BO-Tage“. Hier lesen Sie, worauf es in den BO-Tagen aller BOP-Maßnahmen ab Antragsrunde 2023 ankommt.
Die praktische Erfahrung der BO-Tage ist für viele junge Menschen ein erster, positiver Kontakt mit der Berufswelt. Hier lernen sie mehrere Berufsfelder praxisnah kennen und können erste realistische Vorstellungen von der Berufswelt gewinnen. Die Schülerinnen und Schüler erkunden in der praktischen Arbeit ihre Talente und gewinnen neues Selbstvertrauen.
Die Jugendlichen werden während der BO-Tage von erfahrenen Ausbilderinnen und Ausbildern angeleitet und begleitet. Ausgangspunkt für die praktische Erprobung sind konkrete berufliche Anwendungsfälle – d.h. Szenarien, welche es auch im realen Berufsleben geben könnte, und aus denen sich verschiedene Aufgaben ergeben.
Die praxisorientierten BO-Tage finden in außerschulischen Lernorten wie überbetrieblichen Berufsbildungsstätten oder vergleichbaren Einrichtungen statt, nicht in Betrieben. Die Bildungsstätten bieten mit ihren Lehrwerkstätten und Praxisräumen die ideale Umgebung zum realistischen Ausprobieren in einem geschützten Raum.
Der Unterschied der praxisorientierten BO-Tage zu einem Praktikum: Die Jugendlichen stehen nicht „daneben“ und schauen den Mitarbeitenden ihres Praktikumsbetriebs bei der Arbeit zu, sondern sie werden selbst aktiv. Im Mittelpunkt stehen nicht etwa laufende Produktions- oder Geschäftsprozesse, sondern allein die Schülerinnen und Schüler.
Die praxisorientierten BO-Tage sollten zeitlich möglichst kurzfristig an die Potenzialanalyse anschließen. Sie werden in der Regel ab der 8. Klasse durchgeführt und dauern – je nach Maßnahme – fünf bis zehn Tage.
Zielsetzung
Die Schülerinnen und Schüler sollen durch die praktischen BO-Tage darin unterstützt werden, ein Bündel bestimmter Fähigkeiten und Kenntnissen zu erwerben, die als „Berufswahlkompetenz“ zusammengefasst werden können. Diese versetzt die Jugendlichen in die Lage, die eigene berufliche Orientierung mit Blick auf persönliche Interessen und Bedürfnisse so zu gestalten, dass später eine wohlüberlegte und begründete Berufswahl getroffen werden kann.
Zunächst geht es darum, die jungen Menschen für ihre Berufliche Orientierung zu sensibilisieren und vielleicht sogar zu begeistern. Die Jugendlichen entwickeln eine erste Idee davon, was es bedeutet, in dem einen oder anderen Berufsfeld zu arbeiten. Sie erhalten einen breiten und vielfältigen Überblick, was typische Tätigkeiten und Herausforderungen sind und welche Fähigkeiten sie benötigen, um diese zu bewältigen. Im direkten Zusammenhang mit dem praktischen Ausprobieren reflektieren sie, welche Tätigkeiten ihren persönlichen Fähigkeiten und Interessen entsprechen.
Wo geht die Reise hin? Zum Abschluss der praxisorientierten BO-Tage sollten die Jugendlichen erste Entwicklungsziele aufstellen und daraus die nächsten Schritte für ihre weitere persönliche Berufliche Orientierung ableiten.
Raum für Reflexion
„Was habe ich heute in der beruflichen Orientierung erlebt, wie hat sich das angefühlt? War ich gut darin? Hat es mir Spaß gemacht?“
Die Bedeutung von Reflexion und begleitenden Gesprächen wird in Studien zur Wirkung von Beruflicher Orientierung immer wieder eindeutig belegt. Der Mehrwert der Maßnahmen ergibt sich erst aus der Kombination von Erleben und Reflektieren. Dialog und Reflexion tragen dazu bei, dass die Schülerinnen und Schüler individuelle Schlussfolgerungen für ihre weitere Berufliche Orientierung ziehen können. Deswegen werden die Reflexionsanteile im BOP mit der neuen Förderrichtlinie qualitativ und quantitativ deutlich aufgewertet.
So findet Reflexion in Form von Gruppengesprächen und individuellen Gesprächen in allen Umsetzungsphasen des Berufsorientierungsprogramms statt: Zum Einstieg, im Verlauf und zum Abschluss. Ein individuelles Einzelgespräch im Anschluss an die BO-Tage rundet die gesamte BO-Maßnahme ab. Dabei werden auch nächste Schritte der Beruflichen Orientierung in den Blick genommen.
Angebot und Auswahl der Berufsfelder
Je nach Dauer der praxisorientierten BO-Tage dürfen die Jugendlichen zwei oder mehr Berufsfelder austesten. Diese Felder beziehen sich nicht auf einzelne Berufe, sondern geben einen übergreifenden Überblick, denn die Jugendlichen sollen sich in dieser Phase noch nicht auf konkrete Berufe festlegen, sondern vielmehr die Vielfalt der Berufswelt kennenlernen.
In den neuen Qualitätsstandards des BMBF zur Durchführung der BO-Tage werden insgesamt 23 Berufsfelder vorgegeben. Um eine Vielfalt zu gewährleisten, muss das Angebot der Bildungsträger an die Jugendlichen mindestens vier Berufsfelder umfassen. Dabei muss jeder der vier folgenden Bereiche durch mindestens ein Berufsfeld abgedeckt werden:
- Soziales, Pflege, Gesundheit
- Wirtschaft und Verwaltung, Verkehr und Logistik, Tourismus und Gastgewerbe
- Gewerbe und Technik, Industrie, Naturwissenschaft
- Handwerk
Die Jugendlichen sollen bei der Auswahl der Berufsfelder individuell beraten werden. Zum einen wird darauf im Rahmen der Reflexionsgespräche nach der Potenzialanalyse Bezug genommen. Zum anderen werden die Berufsfelder vor Beginn der praktischen BO-Tage in einem geeigneten Format vorgestellt und es wird gemeinsam reflektiert, nach welchen Aspekten die individuelle Auswahl der Berufsfelder erfolgen könnte. Worauf bei der Wahl der Berufsfelder geachtet werden muss, wird in den Qualitätsstandards zur Durchführung der BO-Tage erläutert.
„Individuelle Standortbestimmung“ – ein Austausch über Berufsvorstellungen
Ein neues Element der Förderrichtlinie im Vergleich zu den vorherigen Förderrichtlinien des BOP ist die „individuelle Standortbestimmung“. Diese findet als Gruppengespräch innerhalb der praxisorientierten BO-Tage beim Träger statt, nicht im Vorfeld. In dem Austausch werden Berufsvorstellungen und Einflussfaktoren thematisiert, die den Jugendlichen oftmals nicht bewusst sind, die ihre Berufswahl aber möglicherweise stark prägen – und die die Bandbreite der möglichen Wege auch durchaus einschränken können. Zu diesen Faktoren zählen u.a. Genderaspekte, Statusfragen oder identitätspsychologische Faktoren.
Es kann zum Beispiel darüber gesprochen werden, welche Vorstellungen die Jugendlichen über einzelne Berufsfelder oder Berufe haben und ob dies der aktuellen Berufsrealität entspricht. In der Standortbestimmung können die Schülerinnen und Schüler definieren, mit welchen persönlichen Fragestellungen und Zielen sie an die praxisorientierten BO-Tage herangehen. Details zur individuellen Standortbestimmung sind in den ergänzenden Qualitätsstandards zur Durchführung der BO-Tage beschrieben.
Kennenlernen der ausgewählten Berufsfelder
Dann geht es an die eigentliche Arbeit: Die Jugendlichen erproben möglichst realitätsnahe Tätigkeiten und Herausforderungen der Arbeitswelt. Dabei erfahren sie, welche berufsbezogenen Kompetenzen sie dafür benötigen. Sie erleben unterschiedliche unternehmenstypische Abläufe, Produktions- und Dienstleistungsprozesse.
All dies bettet sich in einen konkreten beruflichen Anwendungsfall ein, der vom Träger konzipiert und mit vielen handlungsorientierten Aufgaben befüllt wird. So werden die Jugendlichen in ein Szenario versetzt, welches es auch im realen Berufsleben geben könnte.
Die Qualitätsstandards zur Durchführung der BO-Tage geben detaillierte Hinweise zur Konzeption des beruflichen Anwendungsfalls, zu damit verbundenen Aufgabenstellungen und zu zentralen Aspekten der didaktischen Aufbereitung. Bei der Umsetzung sollen auch wichtige Querschnittsthemen wie Digitalisierung, Arbeitswelt 4.0. und Grüne Arbeitswelten berücksichtigt werden.
Praxisorientierte BO-Tage für verschiedene Zielgruppen
Die praxisorientierten BO-Tage können je nach Region, Schultyp und Berufsorientierungskonzept eines Landes, einer Schule oder eines außerschulischen Lernorts unterschiedlich ausgestaltet sein. Dabei ist es wichtig, dass die Schülerinnen und Schüler weder über- noch unterfordert werden. So sollten zum Beispiel Angebote für Förderschulen anders konzipiert sein als Angebote für Gymnasien.
Die Leistungsfähigkeit und der Lernstand der Klassen sind ausschlaggebend für die Präsentation von Informationen zu Berufen und Berufsfeldern, für die Komplexität der Aufgaben und das damit verbundene erforderliche Maß an Selbstständigkeit. Die Konzepte der praxisorientierten BO-Tage sollen sich außerdem auch gruppenintern flexibel auf unterschiedliche Lernniveaus und ‑geschwindigkeiten anpassen lassen.
Im Vordergrund steht immer, dass die Schülerinnen und Schüler etwas über sich selbst und ihre beruflichen Interessen und Kompetenzen erfahren und nicht, dass sie den Arbeitsauftrag perfekt erfüllen.
Wo alle Fäden zusammenlaufen: die Schulen
Das Berufsorientierungsprogramm ist ein Baustein im schulischen Berufsorientierungskonzept. Entsprechend sind Lehrkräfte und andere Akteure an den Schulen nicht nur in die Vor- und Nachbereitung der praxisorientierten BO-Tage eingebunden, sondern sie begleiten ihre Schulklassen auch während der BO-Tage. Mit ihrer Anwesenheit signalisieren sie den Jugendlichen persönliche Wertschätzung. Die Beobachterrolle in einem völlig neuen Kontext eröffnet ihnen eine neue Sichtweise auf ihre Schülerinnen und Schüler.
Im Anschluss reflektieren die Lehrkräfte das Erlebte mit ihren Schülerinnen und Schülern in der Schule. Sie unterstützen die Jugendlichen dabei, die gewonnenen Erfahrungen für die weitere Berufliche Orientierung zu nutzen – zum Beispiel, um das passende Betriebspraktikum zu wählen. Detaillierte Hinweise zur Rolle der Schulen bei Anbahnung, Durchführung und Nachbereitung des Berufsorientierungsprogramms finden Sie auf der Unterseite:
Die Rolle der Schulen im Berufsorientierungsprogramm