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Im Gespräch zur Selbstreflexion anregen

Sowohl bei der Potenzialanalyse als auch bei den BO-Tagen lassen sich Feedback und Reflexion miteinander verknüpfen. So können die Schülerinnen und Schüler ihre Erfahrungen besser verarbeiten und neue Erkenntnisse leichter in den Berufswahlprozess einordnen.

Mädchen und Mutter sitzen neben einander im Gespräch mit Pädagogin. Mädchen hält ein Zertifikat in der Hand.
© BOP / ANNEGRET HULTSCH FOTOGRAPHY

Selbstreflexion ist eine bewusste Auseinandersetzung mit der eigenen Person: Wer bin ich? Was kann ich? Was möchte ich? Selbstreflexion bietet die Chance, sich der vorhandenen Möglichkeiten bewusst zu werden und dem eigenen Potenzial entsprechend weiterzuentwickeln. Es bedeutet, Erfahrungen, Informationen und Beobachtungen zu analysieren, um daraus Erkenntnisse für zukünftige Handlungen abzuleiten. Dabei kann es hilfreich sein, auch die Sichtweisen anderer zu berücksichtigen und die Perspektive zu wechseln.

Es gibt viele Möglichkeiten, die Schülerinnen und Schüler bei der Verarbeitung ihrer Erlebnisse während der Potenzialanalyse und Bo-Tage zu unterstützen und zur Selbstreflexion anzuregen. Sowohl bei der Potenzialanalyse als auch bei den BO-Tagen lassen sich Feedback und Reflexion miteinander verknüpfen. So können die Schülerinnen und Schüler ihre Erfahrungen besser verarbeiten und neue Erkenntnisse leichter in den Berufswahlprozess einordnen. Ein stärkenorientiertes Feedback zu den Übungen, die beispielsweise bei der Potenzialanalyse gemacht werden, kann immer auch der Einstieg in ein individuelles Reflexionsgespräch sein.

Offene Fragen als Motor im Gespräch

Eine aktive Beteiligung der Schülerinnen und Schüler am Gespräch gelingt durch die Formulierung von offenen Fragen, welche wiederum die Selbstreflexion der Jugendlichen anregen. Offene Fragestellungen helfen, sich mit Erfahrungen und Handlungen auseinanderzusetzen. Alle offenen Fragen, das heißt alle W-Fragen außer der Warum-Frage, sind dabei hilfreich:

Wann?

Wann hattest du heute bei der Potenzialanalyse/bei den BO-Tagen den meisten Spaß?

Wo?

Wo spielen nach deiner Meinung diese Kompetenzen eine besondere Rolle?

Wer?

Wer könnte dir bei der Suche nach einem Praktikumsplatz helfen?

Was?

Was hat dir an dem Berufsfeld XY am besten gefallen? Was hat dich heute besonders interessiert?)

Wie?

Wie würde dein Traumarbeitsplatz aussehen? Wie stellst du dir einen perfekten Arbeitstag vor?

Welche?

Welche praktischen/beruflichen Tätigkeiten würdest du gerne ausprobieren?

Fragenfinder

Der interaktive Fragenfinder des BOP bietet Ihnen zahlreiche Anregungen zur Formulierung von offenen Fragen in allen Gesprächsphasen. Einfach Anlass (Gesprächsanlass) und Phase (Gesprächsphase) auswählen und los gehts!

Zum Fragenfinder

Kommunikationsbremsen

Bestimmte Frageformen behindern die Kommunikation:

  • Ursachen- oder Warum-Fragen wirken bohrend: "Warum hast du das getan?"
  • Kontroversfragen engen ein und verlangen eine schnelle und vielleicht übereilte Entscheidung. (Ist es nun so oder so?)
  • Suggestivfragen enthalten bereits die Antwort, irritieren, manipulieren und bringen keine neuen Antworten. (Findest du nicht auch, dass …?)

Systemische Fragen

Um den Schüler oder die Schülerin in der Gesprächssituation aus der Reserve zu locken, eignen sich neben den offenen Fragen systemische Fragen. Sie stehen für unterschiedliche Fragetypen, die u. a. in der systemischen Beratung zur Anwendung kommen. Innerhalb der beruflichen Orientierung können systemische Fragen neue Perspektiven eröffnen und den Schülerinnen und Schülern helfen, ihre Sichtweisen differenzierter zu betrachten.

Es gibt vier Formen von systemischen Fragetechniken: Systemische Fragen können neue Perspektiven eröffnen.

Zirkuläre Fragen

Zirkuläre Fragen

  • geben den Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit, die Perspektive zu wechseln.
  • regen dazu an, sich in die Position, Gefühls- und Gedankenwelt von Dritten zu versetzen.
  • helfen, neue Lösungen, Ideen und Ansätze zu entwickeln.

Beispiele: Was glaubst du, würde deine Mutter/dein Vater sagen, wenn du ihr von deinen Berufswünschen erzählst? Wie würde deine beste Freundin reagieren, wenn du ihr erzählst, dass du Beruf XY ausüben möchtest? Wie sieht dein Verhalten wohl aus der Perspektive deiner Eltern aus?

Skalierungsfragen

Skalierungsfragen

  • werden eingesetzt, um Dinge zu erfahren, die in der Realität objektiv gar nicht oder nur schwer messbar sind, z. B. subjektive Empfindungen wie Zufriedenheit, Motivation, Wahrnehmungen, Eindrücke, Gefühle und Fortschritte.
  • ermöglichen Erkenntnisse über Gefühle und Empfindungen, ohne dass der Schüler oder die Schülerin diese ausformulieren oder klar definieren muss.
  • können gerade für den Einstieg in ein Thema sinnvoll sein.

Beispiele: Gib auf einer Skala von 1 bis 10 an, wie gut du dich im Hinblick auf deine beruflichen Perspektiven informiert fühlst? Gib auf einer Skala von 1 bis 10 an, wie stark deine Motivation ist, dich mit deinen Berufswünschen zu beschäftigen?

Hypothetische Fragen

  • zielen auf die Zukunft ab und geben dem Schüler oder der Schülerin die Möglichkeit, neue Blickwinkel und Lösungsansätze in Gedanken durchzuspielen.
  • regen Kreativität und Eigeninitiative an, da der Schüler oder die Schülerin mögliche Szenarien beschreibt, um ein Problem zu lösen oder die gewünschte Veränderung herbeizuführen.

Beispiele: Wie sieht dein Traumberuf aus? Wie würde eine Woche in deinem Wunschberuf aussehen? Wie würden deine Eltern reagieren, wenn du diesen Plan umsetzt?

Eine Variante der hypothetischen Fragen sind paradoxe Fragen. Dazu gehören zum Beispiel Verschlimmerungsfragen. Paradoxe Fragen sind eher provozierend, können aber in festgefahrenen Situationen neue Impulse geben. Sie bringen den Schüler oder die Schülerin dazu, sich vorzustellen, wie sich eine schwierige Situation weiter verschlechtern kann. Das kann den Blick dafür schärfen, an welchen Stellschrauben man drehen muss, um ein Problem zu lösen. Als erwachsene Person können pädagogische Fachkräfte mit dem Schüler oder der Schülerin die nächsten Schritte dann gemeinsam planen. Beim Einsatz von paradoxen Fragen ist jedoch Vorsicht geboten: Sie können die Jugendlichen irritieren und sollten daher sparsam und lediglich ergänzend eingesetzt werden.

Beispiele: Was musst du tun, um wirklich gar keinen Plan für die Zeit nach der Schule zu haben? Was musst du tun, um den Schulabschluss nicht zu bekommen?

Eine weitere Variante der hypothetischen Fragen sind die Wunderfragen. Sie lassen die Heranwachsenden über mögliche Problemlösungen fantasieren und sind besonders in verfahrenen und vermeintlich aussichtslosen Situationen hilfreich. Sie bringen den Schüler oder die Schülerin dazu, sich den bestmöglichen Zustand vorzustellen. Dadurch fördern sie die Motivation und helfen dabei, positive Gedanken zu fassen.

Beispiele: Was wäre, wenn das Problem von heute auf morgen verschwunden wäre? Was würde sich ändern, wenn du morgen früh aufwachen würdest und dein Ziel erreicht hättest?

Lösungs- oder ressourcenorientierte Fragen

  • stellen die vorhandenen Ressourcen und Lösungsmöglichkeiten für das jeweilige Problem in den Mittelpunkt.
  • geben den pädagogischen Fachkräften die Möglichkeit, das Gespräch mit dem Schüler oder der Schülerin positiv zu gestalten.
  • dienen dazu herauszufinden, welche Strategien und Möglichkeiten bereits ausprobiert wurden und welche Fähigkeiten und Chancen noch im Verborgenen liegen.9 Beispiele: Was ist notwendig, um einen reibungslosen Ablauf (z. B. beim Praktikum, bei der Bewerbung etc.) sicherzustellen? Wer könnte dir dabei helfen? Welche deiner Fähigkeiten sind hier besonders wertvoll?

9 Vgl. Kindl-Beilfuß, Carmen (2011): Fragen können wie Küsse schmecken: Systemische Fragetechniken für Anfänger und Fortgeschrittene, Heidelberg: Carl-Auer-Verlag 14

Aufmerksam zuhören

Aufmerksames Zuhören ist ein wirkungsvolles Mittel, um jemanden dazu zu bringen, von sich selbst zu erzählen. Das gilt auch und besonders für Reflexionsgespräche im Rahmen der Berufsorientierung. Um einer Person aufmerksam zuhören zu können, braucht es Konzentration, Präsenz und Zugewandtheit gegenüber den Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartnern. Aufmerksamkeit äußert sich in inhaltlich passenden Kommentaren oder Nachfragen, aber auch in non- und paraverbalen Zeichen wie Tonfall, Mimik oder Körpersprache.

Die folgenden Verhaltensweisen können zu einer guten Gesprächsatmosphäre beitragen

  • Blickkontakt, ohne zu starren, signalisiert Interesse.
  • Ein Nicken oder ein interessiertes Gesicht ermuntert zum Fortfahren.
  • Eine bequeme, offene Sitzhaltung signalisiert Ungezwungenheit und Zugewandtheit.
  • Bei Redebeiträgen der Jugendlichen, die zu lückenhaft oder verwirrend werden, lässt sich die Gesprächsgeschwindigkeit durch einen einfachen Einwand drosseln: „Entschuldige, ich komme nicht mehr mit“.
  • Kurze Zusammenfassungen zeigen, dass Sie genau zugehört und verstanden haben. Dadurch verlangsamt sich der Gesprächsverlauf und ermöglicht auch der Schülerin oder dem Schüler, die Inhalte zu verarbeiten.

 „Fremde“ Lösungsvorschläge haben oftmals den Nachteil, dass die Schülerinnen und Schüler sie als bevormundend empfinden und daher zurückweisen. Ziel der Reflexionsgespräche sollte immer sein, dass die Jugendlichen von sich aus Ideen und Vorstellungen für ihren weiteren beruflichen Werdegang entwickeln. Manchmal kann es jedoch sinnvoll sein, Lösungswege anzubieten, Ratschläge zu erteilen oder Aufgaben zu formulieren. Nachstehende Hinweise können dabei helfen Lösungsvorschläge zu formulieren, die von den Schülerinnen und Schülern als unterstützend empfunden werden.  Hier ein paar Tipps, worauf Sie als pädagogische Fachkraft achten können:

  • Lösungsvorschläge sind immer Angebote, ob sie angenommen werden oder nicht, entscheidet der Schüler oder die Schülerin selbst.
  • Zu viele Vorschläge können die Gesprächspartner und Gesprächspartnerinnen überfordern, deshalb sollten (fremde) Ideen eher sparsam vorgebracht werden.
  • Einen Lösungsvorschlag anzunehmen oder in Erwägung zu ziehen, fällt leichter, wenn er verständlich formuliert wird und die Jugendlichen den Vorschlag als Ermutigung und nicht als Belehrung empfinden.

Vorbereitung auf das Gespräch

Eine gute Vorbereitung erleichtert jedes Feedbackgespräch. Gemeint ist hier nicht nur die inhaltlich-fachliche, sondern auch die mentale Vorbereitung: der Blick auf sich selbst und auf die innere Haltung, mit der man dem Schüler oder der Schülerin begegnet. Nicht nur die Jugendlichen senden im Gespräch vielfältige (nonverbale) Signale, sondern auch Sie selber. Oftmals ist es hilfreich sich im Vorfeld die folgenden Fragen zu beantworten:

  • Welche Ziele verfolge ich mit dem Gespräch?
  • Wer sitzt vor mir? Was weiß ich über ihn/sie?
  • Wie ist meine persönliche Situation? Meine Stimmung, meine körperliche und geistige Verfassung?
  • Wie bin ich emotional gegenüber dem Schüler, der Schülerin eingestellt? (Sympathie, Antipathie, gibt es Vorurteile zum Beispiel bezüglich der Herkunft oder des Aussehens?)

Darüber hinaus gibt es auch äußere oder institutionelle Rahmenbedingungen, die eine wichtige Rolle spielen:

  • Habe ich genügend Zeit für das Gespräch eingeplant?
  • Ist das Umfeld störungsfrei? (Kein Telefon, keine unangemeldeten Besucher o. Ä.)

Ist die Sitzordnung angemessen für das Gespräch? (Günstig ist es zum Beispiel, an einem runden Tisch zu sitzen oder über Eck und nicht frontal

Quellen und weiterführende Literaturhinweise

Vgl. Stock, Michaela; Riebenbauer, Elisabeth (2018): Wegweiser durch das Thema (Selbst-)Reflexion (abgerufen im Juni 2024)

Vgl. Widulle, Wolfang (2012): Gesprächsführung in der Sozialen Arbeit. Grundlagen und Gestaltungshilfen, Heidelberg: Springer Verlag, S. 104

Lehner, C., Weihe, S.: „Mit den Ohren wackeln?“ – ein Klassiker bleibt aktuell: Aktives Zuhören. In: Zwischen Achtsamkeit und Pragmatismus. Springer Verlag 2019

socialnet Lexikon: Aktives Zuhören (socialnet.de) (abgerufen im Juni 2024)