Integration durch Ausbildung
Mamoun Dabbour und Joseph Ogbonna haben einen Wunschberuf: Maler und Lackierer. Die zwei jungen Männer werden im Programm „Berufsorientierung für Flüchtlinge“ im Bildungszentrum der Kreishandwerkerschaft Duisburg auf die Ausbildung vorbereitet.
„Eine Ausbildung zum Maler und Lackierer machen“ – Mamoun Dabbour weiß genau, was die nächsten Monate bringen sollen. Doch bis sein Wunsch Wirklichkeit werden kann, ist es noch ein längerer Weg. Die Aussichten könnten allerdings kaum besser sein.

Derzeit lernt der 21-Jährige im Bildungszentrum der Kreishandwerkerschaft Duisburg die Grundfertigkeiten, die man als Maler und Lackierer braucht. „Es ist eine schöne Arbeit, die mir Spaß macht“, erklärt er seine Wahl.
Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Programms „Berufsorientierung für Flüchtlinge“ lernen bis zu drei Handwerks-Berufe kennen, um sich dann für einen Ausbildungsberuf zu entscheiden. In den Werkstätten des Bildungszentrums hat er auch Berufe aus den Bereichen Elektrotechnik und Metall ausprobiert, aber am meisten Freude macht ihm die Arbeit mit Farbe und Pinsel. In diesem Bereich möchte er eine Ausbildung beginnen.
Von Damaskus nach Duisburg
Mamoun Dabbour kam 2015 aus Syrien nach Deutschland: „Ich bin zusammen mit meinem Bruder geflohen. Wir waren 9 Monate in der Türkei, über Mazedonien und Serbien sind wir schließlich nach Deutschland gekommen. Der Rest meiner Familie ist noch in Damaskus.“

Den Weg ins Duisburger Bildungszentrum fand Mamoun Dabbour über die Bundesagentur für Arbeit (BA). Damals wohnte er noch in einem Flüchtlingsheim im westfälischen Münster. Eine Mitarbeiterin des Jobcenters machte ihn auf die Möglichkeit aufmerksam, sich über das Programm auf eine Ausbildung im Handwerk vorzubereiten.
Der erste Schritt dazu war für Mamoun Dabbour die Teilnahme an der BA-Maßnahme „Perspektive für junge Flüchtlinge im Handwerk (PerjuF-H)“. Dort lernte er über mehrere Monate verschiedene handwerkliche Berufsfelder näher kennen und bekam vermittelt, wie das deutsche Ausbildungssystem funktioniert. Seit anderthalb Monaten ist der junge Syrer im BOF-Programm, das einen Zeitraum von 13 Wochen umfasst. Die letzten vier Wochen verbringen die Teilnehmenden in einem Betrieb, wo sie ihre frisch gewonnenen Erfahrungen direkt in der Praxis ausprobieren können.
Sozialpädagogen stehen mit Rat und Tat zur Seite
Leicht war der Start für Mamoun Dabbour nicht. „Mit der Zuverlässigkeit hat es anfangs etwas gehapert“, berichtet Marcel Knape, einer der beiden Sozialpädagogen, die die Flüchtlinge während der BOF-Maßnahme betreuen.

Die Unterstützung durch Marcel Knape und seinen Kollegen Magnus Winkler ist sehr vielfältig. „Gerade im Übergang von PerjuF-H zu BOF begleiten wir die Teilnehmenden auch bei Behördengängen, um ihnen hinterher in Ruhe zu erläutern, was zu tun ist“, erzählt Marcel Knape.
Damit ist es aber noch längst nicht getan. „Jeden Mittwoch spielen wir zusammen Fußball. Das macht allen großen Spaß, die Teilnehmer blühen dabei total auf. Das ist für beide Seiten wichtig, um Vertrauen aufzubauen“, berichtet Magnus Winkler. Der Sozialpädagoge sieht mit Freude, dass sich viele Teilnehmende im Lauf der Maßnahme öffnen und verstärkt kommunizieren. Darüber hinaus stehen auch Ausflüge auf der Agenda, etwa zum Gasometer nach Oberhausen. Diese Aktivitäten stärken das Gruppengefühl und ermöglichen den Geflüchteten auch kulturelle Teilhabe.
Deutsch und Mathematik sind das A und O
Noch wichtiger als dieser Aspekt der Arbeit ist die schulische und berufliche Bildung. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer seien hochmotiviert, stellt Dr. Frank Bruxmeier, Geschäftsführer des Bildungszentrums fest. Es fehle allerdings oft an ausreichenden Deutsch- und Mathematikkenntnissen. „Die Schulsysteme in den Herkunftsländern sind mit unserem kaum zu vergleichen“, so Dr. Frank Bruxmeier.

Während des Programms ist dementsprechend Nachholarbeit angesagt. Das gilt auch für Joseph Ogbonna. Der 27-jährige Nigerianer ist ebenfalls 2015 nach Deutschland gekommen. An der Volkshochschule hat der junge Mann einen Sprachkurs absolviert. Auch er möchte Maler und Lackierer werden. Dafür muss er seine Deutschkenntnisse weiter ausbauen.
„Ich habe hier fast jeden Tag einige Stunden Sprachunterricht. Durch die Arbeit in der Werkstatt kenne ich alle Fachbegriffe, die ich für die Arbeit brauche“, erzählt Joseph Ogbonna. Und spricht damit einen wichtigen Baustein des Programms an: Die Teilnehmenden bauen ihre Deutschkenntnisse fortlaufend und vor allem auch berufsbezogen aus. Das gelingt auch mithilfe von Sprachlehrern, die beispielsweise arabisch sprechen und zwischen Ausbildenden und Teilnehmenden vermitteln können. Joseph Ogbonna hat aber auch eigene Ideen, um sein Deutsch zu verbessern: „Ich höre deutsche Songs oder schaue Videos auf YouTube.“
Ein geregelter Tagesablauf muss sein
Der Tag für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer ist lang. Der Unterricht beginnt um 7:30 und endet nachmittags um 16:30 Uhr. „Im Normalfall kommen alle mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu uns“, erklärt Magnus Winkler. „Manche müssen aber durchaus eine Stunde Fahrtzeit auf sich nehmen“, ergänzt sein Kollege Marcel Knape. Ein geregelter Tagesablauf sei sehr wichtig im Hinblick auf eine Vorbereitung auf Praktika und Ausbildung, betonen beide Sozialpädagogen unisono.
Bei der Abendgestaltung dominiert bei Mamoun Dabbour und Joseph Ogbonna der Sport, besonders der Fußball. Überhaupt scheint die beliebteste Sportart der Welt eine kulturverbindende Wirkung zu entfalten. Das Mittwochsangebot wird fleißig wahrgenommen. „Bei Größenordnungen von annähernd 60 Leuten auf dem Fußballplatz muss man schon mal selbst schlucken“, zeigt sich Dr. Frank Bruxmeier beeindruckt. Joseph Ogbonna setzt zuhause in Moers auf Fitnessübungen – Mamoun Dabbour kickt derweil in der zweiten Mannschaft von Viktoria Wehofen und freut sich auf die sonntäglichen Ligaspiele mit seinen Teamkameraden.
Erst skeptisch, dann überzeugt
Für ihr Ziel, die BOF-Teilnehmenden und Unternehmen vor Ort zusammenzubringen, sind die Sozialpädagogen in engem Austausch mit den Handwerksbetrieben. Allerdings, so Marcel Knape, würden nicht alle die vielfältigen Möglichkeiten und Unterstützungsangebote kennen, die es neben dem Normalfall gibt. Etwa die assistierte Ausbildung, eine Einstiegsqualifizierung oder den Weg über ein Praktikum.
Entsprechend als „Aufklärungsarbeit“ beschreibt Magnus Winkler die Gespräche mit den Betrieben: „Haben die Unternehmen einen Geflüchteten als Praktikanten, merken sie, dass es weniger problematisch ist, als sie ursprünglich dachten. Die Ausbilder stellen fest, dass die Flüchtlinge hoch motiviert sind und sich eine Existenz aufbauen wollen.“
Miteinander statt Nebeneinander

Das Bildungszentrum in Duisburg kann auf langjährige Erfahrung in der Arbeit mit Zugewanderten zurückschauen. Nicht wenige Ausbilder haben selbst einen Migrationshintergrund. Bereits 2014 starte eine Gruppe von jungen Männern im Förderprogramm „Integration durch Qualifizierung (IQ)“ eine Umschulung im Bereich Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik. Von den dabei gewonnenen Erkenntnissen profitieren nun alle.
„Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer werden bei uns auf den ersten Ausbildungsmarkt vorbereitet. Wenn uns das gelingt, werden wir die Fachkräfte haben, die wir seit Jahren suchen“, ist sich Dr. Frank Bruxmeier sicher. Gleichzeitig warnt der Experte vor zu kurzfristigen Erwartungen: „Die Flüchtlinge brauchen länger, um nachhaltig im deutschen Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Wir rechnen mit 5 bis 7 Jahren. Wenn sie es nach dieser Zeit dann aber geschafft haben, haben sie hervorragende Chancen.“
Dabei, so betont Dr. Frank Bruxmeier, kann die Integration in den Arbeitsmarkt nur gelingen, wenn alle beteiligten Institutionen eng zusammenarbeiten. Das Bildungszentrum kooperiert mit mehreren Flüchtlingshilfsorganisationen in der Umgebung, etwa mit dem Bunten Tisch in Moers oder der Caritas in Dinslaken. Genauso eng ist die Zusammenarbeit mit der Bundesagentur für Arbeit. „Wichtig sind hier die neu eingerichteten Integration Points. Wir haben einen regen Austausch und helfen uns gegenseitig mit unseren Erfahrungen“, schildert Dr. Frank Bruxmeier und macht deutlich: „Wir brauchen eine starke und ständige Rückkoppelung mit den Agenturen, Jobcentern und Flüchtlingshilfsorganisationen. Nur so kann es funktionieren.“
Ein Schritt nach dem anderen
Während Dr. Frank Bruxmeier in größeren Zusammenhängen denkt, haben Joseph Ogbonna, Mamoun Dabbour und die anderen Teilnehmenden des Programms kurzfristigere Ziele im Blick. Für die beiden jungen Männer steht zunächst das einmonatige Praktikum auf dem Plan. Läuft es gut, könnten die beiden im jeweiligen Betrieb später auch ihre Ausbildung machen. Bis dahin werden sie noch mehr darüber lernen, was einen guten Maler und Lackierer ausmacht. Und ihr Deutsch verbessern.
„Wenn man jemandem weitergeholfen und derjenige einen großen Schritt nach vorne gemacht hat, geht man abends mit einem guten Gefühl nach Hause“, fasst Magnus Winkler seine Arbeit im Bildungszentrum der Kreishandwerkerschaft Duisburg zusammen. Und sein Kollege Marcel Knape ergänzt: „Die Dankbarkeit für einen Praktikumsplatz oder einen Ausbildungsvertrag ist sehr groß“.