Allgemeine Informationen zur Potenzialanalyse
Jede Potenzialanalyse umfasst eine Einführung, eine Standortbestimmung, verschiedene Aufgabentypen und eine intensive Selbstreflexion. Hier erfahren Sie, worauf es bei der Umsetzung der Potenzialanalyse ankommt.
Die Potenzialanalyse
"Was kann ich richtig gut? Was macht mir wirklich Spaß?“ Die Potenzialanalyse ist für viele Jugendliche der Einstieg in die Berufliche Orientierung. In diesem ersten Schritt geht es noch nicht um die Berufe selbst: Die Potenzialanalyse lenkt die Aufmerksamkeit der Jugendlichen auf ihre eigenen Talente, Stärken und Interessen, bevor sie in den praxisorientierten BO-Tagen konkrete berufliche Tätigkeiten ausprobieren. Die Potenzialanalyse legt die jungen Menschen nicht auf eine bestimmte Richtung fest, sondern öffnet ihren Blick für Möglichkeiten.
Für die Umsetzung der Potenzialanalyse werden keine Verfahren explizit vorgeschrieben. Aber jede Potenzialanalyse muss die gleichen Elemente umfassen: Neben einer Einführung und der Standortbestimmung sind das vor allem sogenannte handlungsorientierte und biografieorientierte Aufgaben. Darüber hinaus sollen auch erste berufswahlrelevante Interessen und Neigungen erkundet werden. Bei allen Aufgabentypen spielt die Selbstreflexion der Schülerinnen und Schüler eine zentrale Rolle.
Einführung in die Potenzialanalyse: Erklären, worum es geht
Bei der Potenzialanalyse geht es primär um einen Erkenntnisgewinn bei den Jugendlichen selbst – nicht um den der pädagogischen Fachkräfte oder Eltern (auch wenn diese natürlich miteinbezogen werden). Der stärkenorientierte Ansatz steigert das Selbstbewusstsein der jungen Menschen und ihre Bereitschaft, Verantwortung für die eigene berufliche Zukunft zu übernehmen.
Daher wird den Schülerinnen und Schülern zu Beginn der Potenzialanalyse verständlich erklärt, was die Ziele, Abläufe und Inhalte der Potenzialanalyse sind. So können sie nachvollziehen, was wann und mit welchem Zweck stattfindet. Durch dieses Verstehen erschließt sich ihnen die Bedeutung der Potenzialanalyse für ihre eigene Berufliche Orientierung. Sie sind persönlich „betroffen“ – und genau dadurch profitieren sie von ihren Erlebnissen und kommen zu eigenen Schlussfolgerungen.
Durch die Einführung können sie sich außerdem auf neue, schuluntypische Aufgaben einstellen. Spielerisch werden in dieser Phase gemeinsam auch die Kompetenzbegriffe erarbeitet, die während der Potenzialanalyse eine Rolle spielen.
Individuelle Standortbestimmung
Jeder junge Mensch hat sein eigenes Startfeld im „Spiel“ der Beruflichen Orientierung: Während der eine schon einen konkreten Wunschberuf mitbringt, hat die andere noch gar keine Idee oder nur diffuse Vorstellungen von einer eigenen beruflichen Zukunft.
Hier setzt die sogenannte „individuelle Standortbestimmung“ (neu eingeführt mit den Qualitätsstandards 2022) an: In dieser wird in Kleingruppen erarbeitet, was jeder Schüler und jede Schülerin bereits über sich und die eigenen Stärken weiß und welchen konkreten Orientierungsbedarf er oder sie hat. So startet jeder und jede Teilnehmende mit individuellen Fragestellungen in die Potenzialanalyse.
Zentrale pädagogische Aufgabe: Reflexion anstoßen und begleiten
Die Potenzialanalyse soll eine lernförderliche Atmosphäre bieten, in der die Jugendlichen selbst aktiv werden. Die Pädagoginnen und Pädagogen begleiten die Schülerinnen und Schüler interessiert, wertschätzend und ermutigend durch alle Elemente der Potenzialanalyse. Sie befördern die Selbstreflexion der Jugendlichen und ergänzen deren Selbsteinschätzung um eine wertschätzende Außenperspektive. So unterstützen sie die Schülerinnen und Schüler darin, kritische Selbsteinschätzungen aufzubrechen und eigene Schlussfolgerungen zu ziehen.
„Welche Erfahrung habe ich gemacht?“ „Was kann ich daraus über mich, meine Stärken und erfolgreiche Handlungsstrategien lernen?“ Solche Fragen tragen nachweislich dazu bei, dass Jugendliche nachhaltig von der Potenzialanalyse profitieren. Jede Aufgabe schließt deswegen mit einer kurzen Auswertungsphase ab. Die Schülerinnen und Schüler halten die gewonnenen Erkenntnisse schriftlich fest.
Im abschließenden übergreifenden Reflexionsgespräch zur Potenzialanalyse wird darüber hinaus noch die Planungsperspektive eingenommen: Welche Erkenntnisse sind von besonderer Relevanz und welche nächsten Schritte leiten sich daraus ab?
Kompetenzen erkunden
Wie packe ich ein Problem an, wie motiviert und zuverlässig bin ich, wie gut kann ich im Team arbeiten und Konflikte lösen? Alle Aufgaben der Potenzialanalyse sind darauf ausgerichtet, verschiedene berufsrelevante Kompetenzen auf spielerische Weise zu erkunden.
Methodische Kompetenzen
… sind Fähigkeiten, bestimmte Tätigkeiten und Aufgaben angemessen und erfolgreich zu gestalten und zu lösen. Dazu gehören zum Beispiel Arbeitsplanung, Kreativität und Problemlösefähigkeit.
Personale Kompetenzen
… sind Fähigkeiten, sich selbst einzuschätzen, sich weiterzuentwickeln und die eigene Person in die Gestaltung von Aufgaben einzubringen. Sie äußern sich zum Beispiel in Merkmalen wie Motivation, Zuverlässigkeit oder Selbstständigkeit.
Soziale Kompetenzen
… kommen in der Fähigkeit zum Ausdruck, soziale Beziehungen kooperativ und konstruktiv zu gestalten. Dazu gehören zum Beispiel Team-, Kommunikations- und Konfliktfähigkeit.
Darüber hinaus können auch erste berufliche Basiskompetenzen in den Blick genommen werden, stehen aber nicht im Vordergrund. Berufliche Basiskompetenzen sind zum Beispiel Feinmotorik, räumliches Vorstellungsvermögen oder Arbeitsgenauigkeit.
Vielfältige Methoden und Aufgaben
Jede und jeder Jugendliche bringt persönliche Lernstrategien mit. Deswegen bietet die Potenzialanalyse einen breiten Methoden- und Aufgabenmix. So erhalten alle Teilnehmenden die bestmögliche Chance, die eigenen Stärken und Interessen zu identifizieren und zu reflektieren.
Wie oben beschrieben, begleiten die pädagogischen Fachkräfte die Jugendlichen durch alle Elemente der Potenzialanalyse hindurch und stoßen Reflexion an – so auch während der Aufgaben.
Handlungsorientierte Aufgaben
Handlungsorientierte Aufgaben wecken die Freude am Ausprobieren. Die Zusammenstellung der Aufgaben sollte möglichst vielfältig sein, damit für jede Schülerin und jeden Schüler etwas dabei ist. So kann es zum Beispiel darum gehen, eine Party zu planen, ein Handy zu entwerfen oder über Medien zu diskutieren. Es gibt Einzel- und Gruppenaufgaben in verschiedenen Schwierigkeitsgraden. Zu den handlungsorientierten Aufgabentypen zählen zum Beispiel Konstruktionsübungen oder erlebnispädagogische Übungen.
Ein Beispiel für eine Konstruktionsübung ist die Eierfallübung: „Baut gemeinsam eine Fallmaschine, die ein rohes Ei beim Sturz aus dem ersten Stock eines Hauses unversehrt hält“.
„Stab absenken“ ist beispielsweise eine erlebnispädagogische Übung. Alle Teilnehmenden der Gruppe stellen sich in zwei Reihen gegenüber auf. Sie strecken ihre Zeigefinger auf Taillenhöhe nach vorne. Der Spielleiter legt einen dünnen Stab auf die ausgestreckten Finger. Alle Beteiligten müssen stets mit dem Stab in Kontakt bleiben. Gemeinsam versuchen sie nun mit Geschick und guter Absprache, den Stab auf den Boden zu legen.
Biografieorientierte Aufgaben
Alle Schülerinnen und Schüler haben eine Vielzahl von Erfahrungen in ihrem Leben gemacht, die zum Lernen beigetragen haben. Der Blick auf bisherige Erfolgserlebnisse – also darauf, was den Jugendlichen in Schule und Freizeit Spaß macht und ihnen gut gelingt – eröffnet neue Erkenntnisse über erworbene Fähigkeiten, erfolgreiche Handlungsstrategien und individuelle Interessen. Biografieorientierte Aufgaben zielen auf eine Reflexion dieser Erfahrungen ab.
Berufswahlrelevante Interessen erkunden
Die Potenzialanalyse ist Teil der Beruflichen Orientierung. Es ist wichtig, dass den Jugendlichen dieser Zusammenhang deutlich wird. Deswegen werden bei den verschiedenen Aufgaben Bezüge zur Beruflichen Orientierung und zur Arbeitswelt hergestellt. Darüber hinaus werden erste Interessen thematisiert, die für die spätere Berufswahl relevant sind. Dies kann über einen Interessentest erfolgen oder über den Austausch in der Kleingruppe.
Ein Beispiel dafür ist die Arbeit mit Impulsbildern: Auf einem Tisch liegen Karten mit Abbildungen verschiedener Tätigkeiten. Jede und jeder Jugendliche wählt zwei bis drei Karten aus, die sie oder ihn besonders ansprechen. Im Anschluss reflektieren sie, warum sie die Bilder ausgewählt haben, was sie damit verbinden und welche Schlussfolgerungen zu ersten beruflichen Interessen sie daraus für sich ziehen können.
Abschluss: Reflektieren, Ergebnisse sichern, Ziele vereinbaren
Zum Abschluss der Potenzialanalyse werden alle Erfahrungen und Ergebnisse aus der Aufgabenphase in Einzelgesprächen thematisiert. Das Reflexionsgespräch findet in der Regel innerhalb von drei Wochen nach der Potenzialanalyse statt, häufig in den Räumlichkeiten der Schule. Für den einzelnen Schüler bzw. die einzelne Schülerin sind jeweils 30 Minuten reserviert.
Die pädagogischen Fachkräfte leiten mit reflexionsanregenden Fragen durch das Gespräch, geben stärkenorientierte Rückmeldungen zu ihren Beobachtungen und unterstützen den Jugendlichen/die Jugendliche bei der Ableitung eigener Schlussfolgerungen. Das Reflexionsgespräch wird mit einer gemeinsamen Zielformulierung abgeschlossen, in der die oder der Jugendliche selbst benennt, was sie/er sich für die weitere Berufliche Orientierung vornimmt. Die Erkenntnisse aus der Potenzialanalyse können für die Schülerinnen und Schüler auch hilfreich dabei sein, die für sie passenden Berufsfelder für die darauffolgenden praxisorientierten BO-Tage auszuwählen und die BO-Tage mit einem bestimmten individuellen Fokus anzugehen.
Viele Jugendliche erleben das Reflexionsgespräch als besondere Wertschätzung, da es hier nur um sie und ihre individuellen Stärken geht. Nicht verwunderlich ist deswegen, dass sich das Gespräch besonders positiv auf die Kompetenz der Jugendlichen auswirkt, später eine passende Berufswahl zu treffen.
Die wichtigsten Ergebnisse der Potenzialanalyse und die vereinbarten Ziele werden auch schriftlich dokumentiert. An vielen Schulen werden Portfolioinstrumente wie der Berufswahlpass (www.berufswahlpass.de) oder der Profilpass für junge Menschen (www.profilpass-fuer-junge-menschen.de) eingesetzt. In dem Fall werden die Ergebnisse in dieses Instrument integriert.
Ohne geht es nicht: Qualitätsstandards zur Potenzialanalyse
Wer die Potenzialanalyse plant und durchführt, muss sich ausführlich mit den befassen. Diese sollen dazu beitragen, die Qualität bei der Umsetzung der Potenzialanalyse zu sichern und zu optimieren. Sie definieren die Zielsetzung, die Inhalte sowie die organisatorischen und pädagogischen Rahmenbedingungen für gelingende Potenzialanalysen.
Besonders wichtig für die Umsetzung ist, dass die Erkundung von Kompetenzen und Interessen im Rahmen der Potenzialanalyse mit einer pädagogischen Zielsetzung erfolgt. Das definiert auch die Haltung und den Auftrag für die pädagogischen Fachkräfte: Diese sehen die Schülerinnen und Schüler als Experten für sich selbst und unterstützen deren selbstbestimmte, reflektierte Entscheidungen. Sie schaffen eine lernförderliche Atmosphäre und begleiten die jungen Menschen wertschätzend, interessiert und ermutigend durch alle Elemente der Potenzialanalyse.