5. Jahrestagung des Berufsorientierungsprogramms - Praxis erfahren! : Datum: Ort: {0} Ort: Berlin
Über 400 Vertreter/innen von Bildungsstätten trafen sich zwei Tage in Berlin mit dem gemeinsamen Ziel: Die Werkstatttage für Jugendliche noch interessanter und lebensnaher gestalten – und gleichzeitig den Fachkräftebedarf der Branchen im Blick haben.
Lesen Sie im Folgenden die gesamte Dokumentation zur Jahrestagung oder springen Sie direkt zu bestimmten Inhalten.
Eröffnung
Auszeichnung guter Projektbeispiele
Podiumsdiskussion „Berufsorientierung zwischen Pädagogik und Marktorientierung“
Informationsmesse: Akteure und Projekte stellen sich vor
Informationen des BMBF zum BOP
Ergebnisse aus der Evaluation des BOP
Vortrag Stöhr: Auf der Suche nach meinem Traumjob
Forum 1a: Seltene Berufe im BOP – Naturwissenschaft
Forum 1b: Seltene Berufe im BOP – Optik/Glas/Keramik
Forum 2a: Fachkräftebedarf/Mangelberufe – Bäcker/Konditor
Forum 2b: Fachkräftebedarf/Mangelberufe – Elektro
Forum 3a: Werkstatttage kreativ umsetzen – IT/Medien
Forum 3b: Werkstatttage kreativ umsetzen – Wirtschaft und Verwaltung
Forum 4a: Soziale Berufsfelder – Erziehung/Soziales
Forum 4b: Soziale Berufsfelder – Pflege
Forum 5a: Begeisterung wecken, Berufswahlspektrum erweitern – Kfz
Forum 5b: Begeisterung wecken, Berufswahlspektrum erweitern – Kosmetik/Körperpflege
Vortrag Sattelberger: Vom Kastensystem hin zur offenen Bildungsrepublik
Fazit
„Durch Erfahrung wird man klug“ – mit diesen Worten begrüßte Viola-Antoinette Klanten, Referatsleiterin für Berufsorientierung und Chancengerechtigkeit im Bundesministerium für Bildung und Forschung, die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Veranstaltung. „Unsere Jahrestagung steht unter dem Motto ‚Praxis erfahren‘. Wir greifen damit die Grundphilosophie des Berufsorientierungsprogramms auf. Nämlich, dass eigene Erfahrungen das beste Mittel sind, um herauszufinden, was man besonders gut und gerne macht.“
Stefan Müller, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium für Bildung und Forschung, griff diesen Aspekt in seiner Eröffnungsrede auf und erzählte von seinen Besuchen in einigen Bildungsstätten. „Die Schülerinnen und Schüler waren begeistert bei der Sache. Sie hatten Spaß daran, einen Bereich, der sie interessiert, einmal praktisch auszutesten – aber auch Berufsfelder kennenzulernen, die ihnen bislang fremd waren.“
Bildung ist das A und O, um den Lebensstandard zu sichern und zu heben, betonte der Parlamentarische Staatssekretär. Das wird gerade jetzt mit dem großen Zustrom von Flüchtlingen wieder deutlich. Eine gelungene Integration in die Gesellschaft und in den Arbeitsmarkt muss das Ziel der Politik in den kommenden Jahren sein. Die Teilnehmenden der Jahrestagung spielen dabei, so der Parlamentarische Staatssekretär Stefan Müller, eine wichtige Rolle, denn sie arbeiten an der entscheidenden Stelle im deutschen Bildungssystem – nämlich dort, wo sich junge Menschen Gedanken über ihre berufliche Zukunft machen.
Auszeichnung guter Projektbeispiele
Zum Auftakt der Veranstaltung zeichnete der parlamentarische Staatssekretär Stefan Müller zwei Träger für ihre vorbildliche Konzeption und Durchführung des Berufsorientierungsprogramms aus. Jedes Projekt wurde auf der Bühne durch Vertreterinnen und Vertreter des Trägers, einige Schülerinnen und Schüler und deren Ausbilder oder Schulleitung repräsentiert. Diashows vermittelten lebendige Eindrücke der Werkstatttage vor Ort. Bei der Auszeichnung ging es um die Schwerpunkte „Mangelberufe für Jugendliche attraktiv präsentieren“ und „Qualitätssicherung für die Werkstatttage“.
Mangelberufe für Jugendliche attraktiv präsentieren
Zum Thema „Mangelberufe für Jugendliche attraktiv präsentieren“ wurde die SHK-Innung Berlin („Innung Sanitär, Heizung, Klempner, Klima Berlin“) als BOP-Träger ausgezeichnet. Sie bietet viele Berufe und Berufsfelder an, in denen besonderer Fachkräftebedarf besteht – unter anderem Bäcker/Konditor, Dachdecker, Glaser und natürlich den Bereich Sanitär/Heizung/Klima.
Zu letzterem Bereich bietet die SHK-Innung Berlin den Jugendlichen eine der modernsten Ausbildungsstätten Europas. So arbeiten die Schülerinnen und Schüler an einer hüfthohen Miniatur eines Niedrigenergiehauses – realitätsnah und praktisch. Ein weiteres Berufsfeld mit Fachkräftemangel: Konditorei. Hier backen die Jugendlichen dekorative Cremetorten und fertigen feine Marzipanfiguren unter fachkundiger Anleitung.
Durch eine gute Vernetzung mit zehn weiteren Innungen in Berlin kann die SHK-Innung den Jugendlichen in den Werkstatttagen nicht nur viele Berufsfelder anbieten, sondern ihnen im Anschluss auch passende Praktika vermitteln. Die SHK Berlin stellte ihre gute Praxis im weiteren Verlauf der Tagung auch im Forum 2a „Fachkräftebedarf/Mangelberufe – Bäcker/Konditor“ vor.
Qualitätssicherung für die Werkstatttage
Der Träger bfz Bayern („Berufliche Fortbildungszentren der Bayerischen Wirtschaft“) wurde für seine vorbildliche Qualitätssicherung und die besonders gut strukturierte und nachhaltige Durchführung des Berufsorientierungsprogramms ausgezeichnet.
Bereits vor vier Jahren hat der Träger begonnen, einen Toolkoffer aufzubauen, der allen seinen Mitarbeitenden über das Intranet zugänglich ist. Er enthält Beobachtervorlagen, Feedbackbögen, Zertifikate und vieles mehr. So sind die Abläufe standardisiert und eine hohe Qualität wird gewährleistet. Ein weiterer wesentlicher Bestandteil des Toolkoffers sind sämtliche Aufgabenstellungen für verschiedene Leistungsniveaus; dadurch gibt es eine große Variationsbreite an Übungen.
Das bfz Bayern stellte seine gute Praxis im weiteren Verlauf der Tagung auch im Forum 4b „Soziale Berufsfelder – Pflege“ vor.
Podiumsdiskussion „Berufsorientierung zwischen Pädagogik und Marktorientierung“
In der Diskussion auf dem Podium stand das Spannungsfeld zwischen den Wünschen und persönlichen Interessen der Jugendlichen und den Anforderungen der Berufswelt im Vordergrund. Die Diskutanten betrachteten die Fragestellung aus unterschiedlichen Blickwinkeln. Hier lesen Sie Statements der Diskutanten.
Die Bedürfnisse und Wünsche der Jugendlichen
Der Parlamentarische Staatssekretär Stefan Müller stellte die Bedürfnisse und Wünsche der Jugendlichen in den Vordergrund. Mit einer Ausrichtung auf die Fragen der Marktorientierung und des aktuellen Bedarfs gehe man seiner Meinung nach den zweiten Schritt. Zuerst müsse man sich damit befassen, was junge Menschen wollen und ihnen helfen herauszufinden, für welchen Beruf oder welches Berufsfeld sie geeignet sind.
Jugendliche für MINT-Berufe begeistern
„Gerade im technischen Bereich benötigt der Markt Fachkräfte“, betonte Dr. Hans-Heinz Zimmer (Vorstandsvorsitzender des Verbands der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik). Die Wirtschaftskrise habe der Öffentlichkeit gezeigt, wie wichtig die Produktion – und entsprechende Fachkräfte – in diesen Zeiten sind. Gerade im MINT-Bereich sieht er großen Bedarf, die bereits bestehenden Initiativen und Wettbewerbe auszubauen, um das technische Interesse von Schülerinnen und Schülern zu wecken.
Handwerk als erstrebenswerte Perspektive mit Kreativpotenzial
Bei den Hörgeräteakustikern halten sich die Nachwuchsprobleme derzeit noch in Grenzen, schloss Marianne Frickel (Präsidentin der Bundesinnung Hörgeräteakustiker) an. Dennoch sei es auch hier schwierig, geeignete Bewerber zu finden. Anforderungen sind neben technischen Kenntnissen ein großes Einfühlungsvermögen. 50 Prozent ihrer Auszubildenden seien Abiturienten, da diese bereits die notwendigen Grundkenntnisse in den Bereichen Mathematik, Physik und Chemie mitbringen. Eine grundsätzliche Problematik sieht Frickel aber auch im Image des Handwerks. Das müsse sich stark verbessern: Es soll nicht „nur“ als Alternativlösung für diejenigen gelten, für die ein Studium nicht möglich ist – sondern als erstrebenswerte Perspektive mit Kreativpotenzial.
Qualität in der Ausbildung
Ganz entscheidend für die Berufswahl ist auch die gute Qualität der Ausbildung, ergänzte Matthias Anbuhl (Leiter der Abteilung Bildungspolitik und Bildungsarbeit aus dem DGB-Bundesvorstand) die Debatte: Eine aktuelle Studie der Bertelsmann-Stiftung zeige auf, dass in Bereichen, in denen die Qualität der Ausbildung negativ bewertet wird, auch ein Mangel an Auszubildenden herrscht. Das betrifft ganz besonders die Bereiche Hotel/Gastronomie und Lebensmittelhandwerk. Hier herrscht eine hohe Unzufriedenheit bei den Auszubildenden, die sich aus einer mangelnden Qualität der Ausbildung ableiten lässt. Daher sei es im Berufsorientierungsprozess auch nicht zu vernachlässigen, dass die Jugendlichen einen realistischen Einblick in die Arbeitswelt erhalten und die Betriebe die Qualität gewährleisten.
Mehr Empathie und Verantwortungsbewusstsein: Schule neu gedacht
In ihrer Schule legt Margret Rasfeld (Schulleiterin der Evangelischen Schule Berlin Zentrum) einen anderen Maßstab für die Berufsorientierung an. Für sie steht die Persönlichkeitsentwicklung der Schülerinnen und Schüler im Vordergrund. Um diese zu fördern, haben sie und ihr Team „Schule neu gedacht“. Das Ziel ist, Zersplitterung und Leistungsorientierung des aktuellen Bildungssystems hinter sich zu lassen und stattdessen Empathie und Verantwortungsbewusstsein zu fördern. Rasfeld hatte ihre Schülerin Svana Burger mit zur Tagung gebracht. Selbstbewusst berichtete die Jugendliche auf der Bühne vor über 400 Zuschauern von ihren Erfahrungen.
Schlussbetrachtung
Einig waren sich die Podiumsteilnehmerinnen und -teilnehmer darin, dass sich vieles bewegen muss. Zimmer betonte, dass mehr Unternehmen Praktika zur Verfügung stellen müssen. Hier gebe es regional noch deutliche Unterschiede. Anbuhl ergänzte, dass das Umdenken langsam erfolgt. Doch noch zu häufig geraten Jugendliche mit Hauptschulabschluss oder Migrationshintergrund ins Hintertreffen. Im Fokus müsse daher die Frage stehen, wie wir als Gesellschaft dieses Problem der „Abhängung“ oder der „zwei Klassen“ lösen. Daneben stimmte man darin überein, dass der MINT-Bereich weiterhin gefördert werden muss. Eine Heranführung der Schülerinnen und Schüler an Technik durch spielerische Projekte – wie das Haus der kleinen Forscher – oder Förderprogramme, z.B. für Frauen im MINT-Bereich, ist auch Anliegen des Bundesministeriums für Bildung und Forschung, so der Parlamentarische Staatssekretär Stefan Müller.
Informationsmesse: Akteure und Projekte stellen sich vor
Zwischen Pädagogik und Wirtschaftsinteressen – die Informationsmesse griff das Thema der Podiumsdiskussion wieder auf. Verschiedene Aussteller aus dem Übergang Schule-Beruf präsentierten sich auf Messeständen; unter anderem waren die großen Anbieter von Kompetenzfeststellungsverfahren vertreten.
- Kompetenzanalyse Profil AC, MTO CJD www.profil-ac.de
- Hamet BOP, Berufsbildungswerk Waiblingen gGmbH www.hamet.de
- Kompo7 – Kompetenzfeststellungsverfahren BWHW www.bwhw.de
- Der TEXperten-Koffer, PH Freiburg www.ph-freiburg.de
- Jungen-Zukunftstag – Boys` Day, Kompetenzzentrum Technik-Diversity-Chancengleichheit e.V. www.boys-day.de
- Kompetenzzentrum Technik-Diversity-Chancengleichheit e.V. www.kompetenzz.de
- Arena4You – Berufsorientierung im Stadion
- „Ich pack` das“ – Anschubmodelle zur beruflichen Einstiegsqualifizierung, RWE www.rwe.com/Ausbildung
- Berufsorientierungsprogramm www.berufsorientierungsprogramm.de
Parallel zur Informationsmesse konnten die Teilnehmenden die folgenden vier Kurzvorträge besuchen. Die Präsentationen zu den Vorträgen finden Sie auf überaus (Community –> Gruppe Berufsorientierungsprogramm –> Dateiablage).
Kurzvortrag „Strategien der Gewinnung von Auszubildenden zum Verbleib in KMU angesichts des demografischen Wandels – Erkenntnisse auf Basis einer empirischen Erhebung im Handwerk“
Dr. Maximilian Wolf | Otto Wassermann AG
Unterschiedliche Rekrutierungsstrategien von Auszubildenden und ihre anschließende Bindung am Ende der Ausbildung stellen eine wichtige Reaktion auf den demografischen Wandel und den Fachkräftemangel dar.
Der Kurzvortrag erläuterte, welche Rekrutierungsstrategien von Handwerksunternehmen einen signifikanten Einfluss auf die Intention von Auszubildenden haben, nach Ende der Ausbildung in ihrem Ausbildungsunternehmen zu verbleiben. Auf Basis dieser Erkenntnisse wurden Ansatzpunkte für demografieorientierte Rekrutierungsstrategien von KMU abgeleitet.
Kurzvortrag „JobAct – Die Kunst als Bildungsprinzip in der Praxis“
Franziska Wagner | Projektfabrik GmbH
Im Bereich der Berufsorientierung bedarf es einer Bildungsform, die neben fachlichen Qualifikationen und Informationen eine Persönlichkeitsentwicklung ermöglicht, die als Grundlage für einen selbstbestimmten, verantwortungsbewussten Lebensweg notwendig ist. Für diese Form der Bildung ist das Künstlerische als Prinzip anwendbar, weil es den Menschen als Ganzen anspricht und ihn befähigt, sein Leben bewusst zu gestalten.
Vordergründig beschäftigt sich die Projektfabrik damit, mit dem Programm JobAct arbeitslose Menschen in Arbeit zu bringen. Wie funktionieren JobAct-Projekte? Wo kann die Kunst als Bildungsprinzip noch Anwendung finden? Diese und andere Fragen standen im Zentrum des Vortrags und des sich anschließenden Austauschs.
Kurzvortrag "Organisation des Arbeits- und Gesundheitsschutzes für Maßnahmen der Berufsorientierung"
Nada Göltzer | VBG-Bezirksverwaltung Mainz
Schülerinnen und Schüler haben im Rahmen der Berufsorientierung die Möglichkeit, verschiedene Berufsfelder kennenzulernen. Die Berufsbildungsstätten, die diese Maßnahmen durchführen, müssen sich neben fachlichen und pädagogischen Aspekten auch mit der Organisation des Arbeits- und Gesundheitsschutzes auseinandersetzen. Dabei tauchen auch immer wieder Fragen auf, welche Tätigkeiten den Schülerinnen und Schülern aufgetragen werden dürfen.
In dem Vortrag wurden die rechtlichen Grundlagen zur Umsetzung der Organisation des Arbeits- und Gesundheitsschutzes beschrieben. Im Fokus standen die Besonderheiten beim Tätigwerden von Schülerinnen und Schülern sowie Handlungshilfen für die Bildungsträger.
Kurzvortrag "Bildungsorientierungen und -entscheidungen von Jugendlichen im Kontext konkurrierender Bildungsangebote"
Joachim Gerd Ulrich | Bundesinstitut für Berufsbildung
Der Ausbildungsmarkt in Deutschland leidet zunehmend unter Passungsproblemen. Während in manchen Berufen viele Ausbildungsplätze nicht besetzt werden können, werden andere so stark nachgefragt, dass sich viele Jugendliche vergeblich bewerben.
Von einer stark unterschiedlichen Nachfrage sind selbst Berufe betroffen, die sehr ähnliche Tätigkeitsprofile aufweisen. Hierzu zählen der Beruf „Fachverkäufer/-in im Lebensmittelhandwerk“ mit einer hohen Zahl unbesetzter Lehrstellen und der Beruf „Kaufmann/-frau im Einzelhandel“, in dem umgekehrt viele Jugendliche bei ihrer Ausbildungsplatzsuche erfolglos bleiben. Am Beispiel dieser beiden Berufe beschäftigte sich der Vortrag mit der Frage, wie solche Passungsprobleme entstehen.
Informationen des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) zum Berufsorientierungsprogramm
Was passiert im Berufsorientierungsprogramm und welche relevanten Entwicklungen gibt es in seinem Umfeld? Dr. Hans-Ortwin Nalbach (Referat für Berufsorientierung des BMBF) ging in seinem Beitrag auf aktuelle und zukünftige Meilensteine für das Programm ein. Er berichtete von dem großen Interesse der Leitung des BMBF daran, Werkstätten und Träger des Berufsorientierungsprogramms zu besuchen, um sich deren praktische Arbeit vor Ort anzuschauen. Zur hohen Sichtbarkeit im politischen Umfeld trägt auch sein grundlegender Beitrag zur „Initiative Bildungsketten“ des BMBF bei, mit der derzeit gemeinsam mit den Ländern der Bereich von Berufsorientierung und Übergang regional angepasst neugestaltet wird.
Gleiche Chancen in der Berufsorientierung
Als großes Anliegen der Berufsorientierung bezeichnete Nalbach die Chancengerechtigkeit in Sachen Inklusion, Geschlechtersensibilität und Heterogenität. Jugendliche sollten die Entscheidung bezüglich ihrer Berufswahl unabhängig von Rollenklischees, sondern vielmehr mit Fokus auf ihre persönlichen Fähigkeiten treffen.
Wichtig sei eine umfassende Aufklärung über die Folgen der eigenen Berufswahl hinsichtlich Familienplanung, Karrierechancen und Gehalt. Beispielhaft hierfür stehe der Arbeitskreis „Geschlechtergerechte Berufs- und Studienwahl“, der sich aus fünf Bundesministerien, zwei Landesministerien sowie Vertretern aus Verbänden, der Wissenschaft und der Bundesagentur für Arbeit zusammensetzt.
Berufsorientierungsmaßnahmen in den Ländern
Ziel des BMBF für die kommenden Jahre sei es auch, sich einen umfassenden Überblick über den Stand und die Handlungsweisen in den Bundesländern zu verschaffen. Bereits seit 2014 führt das Ministerium Gespräche mit Vertretern der Länder, um flächendeckend Berufsorientierungsmaßnahmen umzusetzen. Dabei geht es vor allem darum, bewährte Methoden wie die Potenzialanalyse zu verbreiten und das Berufsorientierungsprogramm mit den eigenen landesspezifischen Maßnahmen zu verknüpfen. Derzeit seien bereits die ersten Vereinbarungen mit Hamburg und Hessen unterzeichnet, mit anderen Ländern, wie Rheinland-Pfalz oder Nordrhein-Westfalen, stünden diese kurz vor Abschluss. Andere Bundesländer stünden dagegen noch am Anfang der Verhandlungen, zum Beispiel das Saarland oder Bayern.
Berufsorientierung an Gymnasien
Wichtig sei für die Zukunft auch, ein Bewusstsein für die Bedeutung der Berufsorientierung an Gymnasien zu schaffen. Zu diesem Thema wird die Studie „Bedarfe und Verbesserungspotenziale der Studien- und Berufswahlorientierung an Gymnasien“ durch die Berufsbildungsforschungsinitiative (BBFI) des BMBF in Auftrag gegeben, um Beispiele und verschiedene Ansätze zusammenzutragen und zu prüfen. Nalbach wiederholte den Aufruf des Parlamentarischen Staatssekretärs Stefan Müller, in der nächsten Antragsperiode verstärkt mit Gymnasien zu kooperieren.
Seminarreihe „Interkulturell sensible Berufsorientierung“
Abschließend nahm Nalbach Bezug auf den aktuellen Zustrom der Flüchtlinge in Deutschland. Die Ausbilder in den Werkstätten des BOP stehen bei ihrer Arbeit mit jungen Flüchtlingen vor besonderen Herausforderungen: fehlende Deutschkenntnisse, traumatisierende Erlebnisse und kulturelle Unterschiede. Um Flüchtlinge wirkungsvoll in laufende Maßnahmen zu integrieren, startet das Berufsorientierungsprogramm 2016 die Seminarreihe „Interkulturell sensible Berufsorientierung für Ausbilderinnen und Ausbilder“. Dabei handelt es sich um ein intensives Fortbildungsprogramm, das für alle BOP-Träger an fünf Standorten in Deutschland durchgeführt wird.
Ergebnisse aus der Evaluation des BOP
Dr. Jörn Sommer, Projektleiter der Evaluation des Berufsorientierungsprogramms, gab den Konferenzteilnehmenden einen Einblick in den derzeitigen Erkenntnisstand der Evaluation. Im Zentrum des Vortrags stand eine Befragung von über 2.000 Schülerinnen und Schülern in Abgangsklassen, die 2015 durchgeführt wurde. Der Vergleich von jenen, die am BOP teilgenommen hatten, und solchen, für die dies nicht galt (Kontrollgruppe), erlaubt Einblicke in den unterschiedlichen Stand ihrer Berufswahlkompetenz zum Zeitpunkt der Untersuchung.
Höhere Berufswahlkompetenz
Unter jenen Jugendlichen, die am BOP teilgenommen hatten, war die Berufswahlkompetenz stärker ausgeprägt – ebenso die Durchhaltefähigkeit im Berufswahlprozess auch bei widrigen Bedingungen, ihr Wissen zum Wunschberuf, das schulische Bemühen und die Erwartung, dass der spätere Ausbildungsberuf auch der Wunschberuf sein würde. Ihr Berufswahlspektrum war weiter als in der Kontrollgruppe. Kein signifikanter Vorsprung zeigte sich jedoch bezüglich der beruflichen Identität, der Freude am schulischen Lernen, der Einschätzung zur Wichtigkeit der Schule oder der Übergänge in Ausbildung.
Leichter das passende Praktikum finden
Der Vergleich zwischen BOP-Gruppe und Kontrollgruppe spiegelt zu einem großen Teil (nicht jedoch ausschließlich) die Wirkungen des Berufsorientierungsprogramms wieder, da die Schülerinnen und Schüler, die am Programm teilgenommen hatten, auch andere Angebote der Berufsorientierung etwas häufiger nutzten als die Kontrollgruppe. Auch in diesen weiteren Berufsorientierungsangeboten entfalteten sich die positive Wirkungen des BOP: Schülerinnen und Schüler, die am BOP teilgenommen hatten, bewerteten sie häufiger als hilfreich als die Kontrollgruppe. Dies entspricht der Intention des BOP, dass die Erfahrungen aus Potenzialanalysen und Werkstatttagen auch dafür genutzt werden sollen, anschließend z. B. individuell passende Praktika auszuwählen. Die Daten sprechen dafür, so Dr. Jörn Sommer, dass dieser gewünschte Effekt eintritt.
Weitere Evaluationsergebnisse folgen 2016
Durch die Anlage der Erhebung als anonyme Querschnittsbefragung sind Details der präsentierten Zwischenergebnisse noch unsicher. Eine Absicherung und Vertiefung dieser Ergebnisse mittels einer umfassenderen Datenbasis (Wiederholungsbefragungen zwischen der 7. und 9. Klasse) ist für das kommende Jahr geplant.
Jannike Stöhr: „Auf der Suche nach meinem Traumjob!“
„Als Kind wollte ich unbedingt Astronautin werden, doch nach dem ersten Mal im Flugzeug zeigte sich, dass ich Flugangst habe“, begann Jannike Stöhr den Vortrag über ihr ganz eigenes Projekt zur Berufsorientierung. Ein Jahr Zeit, 30 verschiedene Jobs – das hatte sie sich vorgenommen.
Das Gefühl, dass etwas fehlt
Die Berufswünsche der 29-Jährigen gingen von der Astronautin über die Anwältin bis hin zur Angestellten im Büro („dort ist es warm, sauber, man verdient gutes Geld“). Nach einer rasanten Karriere bei Volkswagen und einem beruflichen Abstecher nach China war Jannike Stöhr mit 25 Jahren bereits Personalreferentin. „Trotzdem hatte ich immer das Gefühl, dass etwas fehlt.“
Schließlich traf sie einen Entschluss: Sie ließ sich für ein Jahr freistellen und startete ihr Projekt „Traumjob“. So war sie unter anderem als Erzieherin, Winzerin, Verkäuferin, Beraterin für Selbstentwicklung, Journalistin im Online-Bereich und Pathologin tätig – jeden Beruf eine Woche lang. Ihre Erfahrungen schrieb sie in ihrem Blog nieder.
Wichtigstes Kriterium für die Auswahl der Jobs und Praktikumsstellen war immer die Leidenschaft, erzählte Stöhr. Sie suchte immer Menschen, die sich für ihren Job begeistern und ihr diese Begeisterung weitergeben konnten.
Intuition, Vorbilder – und Leidenschaft
Ihren Traumjob hat sie immer noch nicht gefunden, dafür aber eine wichtige Erkenntnis: Das Gefühl, das ihr während ihrer Arbeit gefehlt hatte, sei ihr Bauchgefühl, ihre Intuition. „Vielen Menschen geht die Intuition über die Jahre verloren. Das ist gefährlich!“ Potenziale werden blockiert, man verfolgt nicht mehr die eigenen Ziele und läuft Gefahr, die eigene Grundzufriedenheit zu verlieren.
Deshalb hält Stöhr die Arbeit der Akteure im Berufsorientierungsprogramm für so wichtig: Sie geben Hilfestellung dabei, herauszufinden, welcher Job wirklich der richtige ist. Und: Sie sind Vorbilder für die jungen Menschen und leben ihnen ihre Leidenschaft im Job vor. Denn die Berufsorientierung soll die Jugendlichen darin bestärken, ihrer Intuition zu folgen und ihren eigenen Weg zu gehen.
Zum Blog „30 Jobs in einem Jahr“ von Jannike Stöhr
Die Foren
Auf der diesjährigen Jahrestagung gab es fünf Themenforen, in denen insgesamt zehn ausgewählte Projekte des Berufsorientierungsprogramms ihre Arbeit vorstellten. In allen Foren gab es Raum für Fragen und Austausch. Die Präsentationen stehen auf überaus (Community –> Gruppe Berufsorientierungsprogramm –> Dateiablage) zum Download zur Verfügung.
Forum 1a: Seltene Berufe im BOP – Naturwissenschaft
Vorzeigeprojekt: Bildungszentrum Wolfen-Bitterfeld
Vorgestellt von: Yvonne Rühlich und Angelika Packroß
Moderation: Sabine Vogelfänger, Bundesinstitut für Berufsbildung
Gerade bei der Berufsorientierung in MINT-Berufen ist es schwierig, erforderliche Kompetenzen für das Berufsleben realistisch zu vermitteln. Grundgedanke des Bildungszentrums Wolfen-Bitterfeld ist, in den anwendungsorientierten Werkstatttagen das theoretische Wissen aus der Schule zu erweitern. Der Lernortwechsel – weg von der Schulband, rein ins das Chemielabor oder das große Technikkabinett – macht theoretisches Wissen lebendig. Dies führt oft zu einem „Aha“-Effekt bei den Schülerinnen und Schülern.
Die Jugendlichen erfahren, dass chemische Prozesse überall im Alltag vorkommen. Sie stellen unter anderem selbst Kosmetik her und untersuchen Bodenproben aus dem eigenen Garten. Diese lebensnahen Aufgaben tragen dazu bei, Hemmschwellen gegenüber MINT-Berufen abzubauen. Auch werden bereits Grundlagen für naturwissenschaftliches Denken oder Sauberkeit am Arbeitsplatz gelegt.
Zudem treffen die Jugendlichen während der Werkstatttage häufig ehemalige Mitschüler, die eine naturwissenschaftliche Berufsausbildung in einem lokalen Unternehmen absolvieren. Bei diesen Gelegenheiten können sie sich über den Bewerbungsprozess oder technische Verständnisprobleme austauschen. Auf diese Weise wird den Jugendlichen die Angst vor dem Kontakt mit Unternehmen genommen und ein Einblick in die Berufsausbildung gewährt.
Um dem Forum einen genaueren Einblick in ihre Arbeitsweise zu vermitteln, hatten die Referentinnen den sogenannten Umweltkoffer mitgebracht, der häufig für Proben und Analysen zum Einsatz kommt.
Region und Träger
Die Naturwissenschaft bestimmt die wirtschaftliche Struktur der Region Wolfen-Bitterfeld in Sachsen-Anhalt. Diese ist einer der wichtigsten und ältesten Chemiestandorte in Deutschland, weshalb dauerhaft eine starke Nachfrage der Unternehmen nach Auszubildenden in naturwissenschaftlichen Berufen besteht.
Das Bildungszentrum Wolfen-Bitterfeld deckt die Bereiche Berufsorientierung, Ausbildung und Weiterbildung an insgesamt drei Standorten ab und bietet hierfür umfassende technische Ausrüstung und professionelle Anlagen. Bildungszentrum, Schulen und ansässige Unternehmen haben gemeinsam eine gut funktionierende Bildungskette in der Region etabliert.
Forum 1b: Seltene Berufe im BOP – Optik/Glas/Keramik
Vorzeigeprojekt: Handwerkskammer Niederbayern-Oberpfalz
Vorgestellt von: Wolfgang Reif und Josef Sailer
Moderation: Sabine Vogelfänger, Bundesinstitut für Berufsbildung
Im Zentrum dieses Forums stand das Glaserhandwerk. Die Glasverarbeitung ist zwar einfach zu lernen, allerdings sind exaktes Arbeiten und mathematisches Denken notwendige Grundvoraussetzungen, so Josef Sailer.
Als Einstieg stellen die Schülerinnen und Schüler in den Werkstatttagen nach Anleitung von qualifizierten Fachkräften nahezu eigenverantwortlich einfache Glasobjekte mit entsprechendem Werkzeug her. Hierbei wenden die Jugendlichen ihr theoretisches Vorwissen aus der Schule praktisch an. In der zweiten Woche wird die Arbeit dann intensiviert: Die Schüler entwerfen einen Projektplan, nach dem ein bestehendes Modell nachgebaut werden soll.
Zentrales Thema der anschließenden Diskussion im Forum waren die Synergieeffekte der Werkstatttage: Die Referenten erklärten, dass die Schüler bei ihnen nicht nur den Umgang mit dem Material Glas lernen, sondern übergreifende Fähigkeiten wie exaktes Arbeiten, Sauberkeit, Kreativität und mathematisches Denken. Auch wurde die Zukunftsfähigkeit des Glaserberufs diskutiert. Die Referenten betonten, dass der Beruf eine wichtige Rolle in der Bauindustrie besetzt. Zwar wird Glas industriell hergestellt, dennoch könne die Technik keinen Glaser ersetzen.
Konzeptionell gliedert sich das Berufsorientierungsprogramm bei der Handwerkskammer Niederbayern-Oberpfalz in drei Teile. Nach einer ersten Potenzialanalyse können die Jugendlichen in der ersten Woche fünf bis sieben Berufe testen. Um einen ersten Einblick in die Tätigkeitsbereiche zu vermitteln, führen die Schülerinnen und Schüler selbstständig kleine Handwerksprojekte unter Anleitung durch. In der zweiten Woche spezialisieren sich die Schüler auf ein bis zwei Berufe, die sie dann intensiver kennen lernen. Der verfolgte Lernansatz lautet auch hier learning-by-doing.
Region und Träger
Das Handwerk spielt eine wichtige Rolle in der wirtschaftlichen Struktur der bayerischen Regierungsbezirke Niederbayern und Oberpfalz. Die Ausrichtung des Berufsorientierungsprogramms der Handwerkskammer ist an die wirtschaftlichen Verhältnisse der Region angepasst. Neben der Aus- und Weiterbildung von Facharbeitern ist die Berufsorientierung für Schülerinnen und Schüler, die in enger Zusammenarbeit mit den Schulen abläuft, ein zentraler Aufgabenbereich der HWK: Seit 2007 nahmen über 25.000 Schüler am Programm teil.
Forum 2a: Fachkräftebedarf/Mangelberufe – Bäcker/Konditor
Vorzeigeprojekt: SHK-Ausbildungszentrum Berlin
Vorgestellt von: Tatjana Beilenhoff
Moderation: Silvia Hofmann, Bundesinstitut für Berufsbildung
Das Konditorenhandwerk zählt zu den Berufen mit Nachwuchssorgen. Die SHK Berlin bietet Berufsorientierung in der Backstube an. Unter Anleitung eines erfahrenen Konditormeisters backen die Schülerinnen und Schüler Torten und stellen selbst professionelle Dekoration her, wie zum Beispiel selbst geformte Marzipanrosen.
Der Ausbilder erläutert verschiedene Techniken und lässt die Jugendlichen ausprobieren. Bei der Arbeit erfahren sie, dass Fingerspitzengefühl und Kreativität, aber auch Geduld wichtige Grundvoraussetzungen für den Beruf sind.
Träger mit großem Kooperationsnetz
Da die SHK Berlin im Rahmen der Werkstatttage mit zehn weiteren Ausbildungszentren des Berliner Handwerks kooperiert, kann die berufspraktische Erprobung auf unterschiedlichen Komplexitätsstufen variiert werden. Das Programm ist auf je drei Tage pro Berufsfeld angesetzt.
Ein weiterer Faktor des Werkstatttage-Programms der SHK ist die Stärkung der Mobilität und Selbstständigkeit der Schülerinnen und Schüler, da die unterschiedlichen Werkstätten geografisch auf ganz Berlin verteilt sind. Die SHK bietet also eine breite berufliche Orientierung, eine hohe Flexibilität in der Zusammenstellung der Werkstatttage, eine intensive Kontaktmöglichkeit zur Ausbildungswelt und die Stärkung der Mobilität und Sicherheit in nicht-schulischen Zusammenhängen.
Herausforderung Organisation und Nachhaltigkeit
Herausforderungen bestehen in dem großen Organisationsaufwand und darin, die Nachhaltigkeit zu sichern, da es nach Abschluss der Werkstatttage schwer nachzuvollziehen ist, welchen tatsächlichen Nutzen die Schülerinnen und Schüler für sich gezogen haben. In der anschließenden Diskussion wurde vornehmlich die Frage behandelt, inwiefern eben diese Nachhaltigkeit und die Einbeziehung der Eltern gewährleistet werden können.
Einig wurden sich die Teilnehmenden darüber, dass Auswertungsgespräche sowohl mit den Jugendlichen als auch mit den Eltern eine große Rolle spielen. Im besten Fall sollte den Schülerinnen und Schülern ein Betriebspraktikum in den für sie interessanten Berufsfeldern angeboten werden. Denn nachdem bereits der große Aufwand unternommen wurde, sie an Berufe heranzuführen, die für sie bis dato uninteressant oder unsichtbar waren, sollte dort auch angeknüpft werden. Die Schülerinnen und Schüler sollten darin bestärkt werden, diese tatsächlich als für sie mögliche Berufe in Betracht zu ziehen.
Fachkräftebedarf vs. Berufswahlentscheidung ohne Beeinflussung
In der sich anschließenden intensiven Diskussionen über den Stellenwert von Berufsorientierung zeigten sich zwei unterschiedliche Meinungen: Bei der Einbindung der Wirtschaft soll vor allem beachtet werden, dass das BOP „nicht zur reinen Jobbörse mutiert“. Die Schülerinnen und Schüler müssten im Mittelpunkt der institutionellen Arbeit stehen und frei und ohne jegliche Art von Beeinflussung ihre Berufswahlentscheidung treffen können. Dagegen stand die Ansicht, dass Berufsorientierung immer im Kontext der regionalen Strukturen und Bedarfe gesehen werden muss.
Forum 2b: Fachkräftebedarf/Mangelberufe – Elektro
Vorzeigeprojekt: QualifizierungsCentrum der Wirtschaft GmbH Eisenhüttenstadt
Vorgestellt von: Harald Balzus
Moderation: Silvia Hofmann, Bundesinstitut für Berufsbildung
In dem interaktiven Forum mit fünf Jugendlichen einer Gesamtschule stellte Harald Balzus das auf fünf Tage angesetzte Werkstatttage-Programm für den Bereich Elektro im Schnelldurchlauf vor. Die Forenteilnehmenden konnten sich während des Vortrags frei im Raum bewegen und den Jugendlichen bei ihrer Arbeit über die Schulter schauen. Dabei waren sie besonders an den Materialien und Objekten interessiert, die für die Werkstatttage eingesetzt werden.
Zum Einstieg beschäftigen sich die Jugendlichen in den Werkstatttagen mit den möglichen Einsatzbereichen von Elektroberufen. In den darauffolgenden praktischen Übungen wird ständig der Bezug zum Alltag hergestellt. So beschäftigen sie sich zum Beispiel mit der Frage: Wie funktioniert eigentlich ein Smartphone? In den letzten Tagen dürfen die Jugendlichen selbst Hand anlegen und eigenständig an einem praktischen Projekt arbeiten.
Im Zusammenhang mit Elektro erhalten die Schülerinnen und Schüler auch ein Einblick in die Bereiche IT und Programmierung, indem sie auf spielerische Weise über das Programm Scratch eine eigene Animation erstellen. So gewinnen sie eine genauere Vorstellung von Arbeitsprozessen und ihrem jeweiligen Zeitaufwand.
Balzus betonte, dass es dem Träger sehr wichtig sei, besonders die Schülerinnen und Schüler mit viel Potenzial darin zu bestärken, das Berufsfeld Elektro nicht aus den Augen zu verlieren. Der Träger hat bereits mehrfach die Erfahrung gemacht, dass Jugendliche sich nach den Werkstatttagen tatsächlich für eine Berufsausbildung im Bereich Elektro entschieden haben.
Forum 3a: Werkstatttage kreativ umsetzen – IT/Medien
Vorzeigeprojekt: CJD Berufsförderungswerks Koblenz gGmbH
Vorgestellt von: Sebastian Birk
Moderation: Sylvia Esser und Klaus Bayram, Bundesinstitut für Berufsbildung
Vermeintlich langweilige (weil stark verschulte) Berufsfelder in den Werkstatttagen kreativ und attraktiv darstellen – darum ging es in diesem Forum am Beispiel des Berufsfelds IT/Medien.
Man darf nicht davon ausgehen, dass die Generation der „Digital Natives“ – also der Menschen, die mit Smartphone und sozialen Netzwerken aufwachsen – die IT-Brache bei der Berufswahlentscheidung präferiert, so Sebastian Birk.
Einen Hamster programmieren
Es sind durchaus kreative Umsetzungen gefragt, um das Berufsfeld IT interessant zu machen. In Koblenz programmieren die Jugendlichen einen Hamster – mit dem Java-Hamster-Modell, das online kostenfrei erhältlich ist. Die Schülerinnen und Schüler lernen dabei die Grundbegriffe und -befehle aus der Java Programmierung. Wenn alles klappt, läuft auf ihrem Monitor ein Hamster durch ein selbsterstelltes Labyrinth und frisst Körner. Dieses Modell ist besonders geeignet, da es ein überdurchschnittliches Entwicklungs- und Entfaltungspotenzial ermöglicht und Teamarbeit fördert.
Forum 3b: Werkstatttage kreativ umsetzen – Wirtschaft und Verwaltung
Vorzeigeprojekt: Bildungswerk der Niedersächsischen Wirtschaft GmbH
Vorgestellt von: Karen Sonnabend und Kai Kickler
Moderation: Sylvia Esser und Klaus Bayram, Bundesinstitut für Berufsbildung
Wie in der Schule soll es in den Werkstatttagen eben nicht zugehen – doch wie kann man das Berufsfeld Wirtschaft und Verwaltung interessant darstellen?
Fiktiver Partyservice
Das Bildungswerk der Niedersächsischen Wirtschaft stellte seinen fiktiven Partyservices „Koch und Gut“ vor, für den die Schülerinnen und Schüler arbeiten. Dabei liegt der Fokus auf viel praktischer Arbeit und wenig Theorie, dem Bezug zur Lebenswirklichkeit der BOP-Teilnehmenden sowie der Modifizierung verschiedener Verwaltungsabläufe innerhalb eines Unternehmens.
Lernen in Stationen
Der gewählte methodische Ansatz ist das Stationenlernen. Ein Raum wird mit Pinnwänden unterteilt, um ein Großraumbüro zu simulieren. An unterschiedlichen Stationen werden die Schülerinnen und Schüler in sämtliche Arbeitsschritte eines Unternehmens in der Verwaltungs- oder Dienstleistungsbranche eingeführt.
Die Grundidee, die BOP-Teilnehmenden als Mitarbeiter eines Partyservices in Verantwortung zu bringen, stellt einen Alltagsbezug her, fördert die Identifikation mit dem Berufsfeld und führt in den Umgang mit Office Produkten oder auch mit dem Telefon ein. In engerer Kooperation mit Schulen können die Jugendlichen so das in den Werkstatttagen Erlernte noch nachhaltiger festigen.
Forum 4a: Soziale Berufsfelder – Erziehung/Soziales
Vorzeigeprojekt: Werk-statt Schule e.V.
Vorgestellt von: Maren Mutschall
Moderation: Guido Kirst und Rozaliya Dimitrova, Bundesinstitut für Berufsbildung
Das Besondere an den Berufen im Feld „Erziehung/Soziales“ ist die Interaktion mit Menschen anstelle von Werkstoffen wie Holz oder Metall in anderen Berufsfeldern. Das stellt auch die praktische Erfahrung im Berufsorientierungsprogramm vor die Herausforderung: Wie kann man den Berufsbereich in den Werkstatttagen realistisch darstellen?
Eine eigene Kita
Die Umsetzung erfolgt beim Träger mit einer eigenen Kita, die direkt an Werk-statt Schule e.V. angegliedert ist. Mutschall betonte, dass eine Umsetzung ohne diese eigene Kita schwierig wäre. Die Schülerinnen und Schüler werden am ersten Tag des Moduls in die Theorie eingeführt. Gemeinsam mit einem Ausbilder erarbeiten sie, was sie mit der Kita und der dortigen Arbeit verbindet worauf es bei der Arbeit ankommt.
Als Aufgabe für den zweiten Tag entwickeln sie in Gruppen oder alleine ein Angebot für die Kita-Kinder, beispielsweise Spiele, Basteleinheiten oder Aktivitäten im Freien. Diese führen sie dann auch eigenständig unter Aufsicht der Erzieherinnen und Erzieher durch. Die Schülerinnen und Schüler erfahren dabei, was es bedeutet, mit Kindern in diesem Alter zu arbeiten.
Abschließend sprechen die Jugendlichen in einer gemeinsamen Reflexion über ihre Erfahrungen. Sie erhalten zudem einen Fremdbewertungsbogen, in dem sie unter verschiedenen Kriterien, wie Kreativität oder Planungsfähigkeit, bewertet werden.
Mutschall berichtet von einer breiten positiven Resonanz aus den Schulen. Bei Interesse für die Ausbildung kann diese sogar innerhalb der eigenen Einrichtung angeboten werden; der Bedarf an Erzieherinnen und Erziehern in Hannover ist anhaltend hoch. Auch die Reaktionen der Kita-Kinder und ihrer Eltern sowie des Personals auf die Jugendlichen ist durchweg positiv.
Der Träger
Die Einrichtung Werk-statt Schule e.V. ist ein Bildungsträger, der derzeit 150 Schülerinnen und Schüler im BOP begleitet. Erziehung und Soziales ist eines von acht Feldern, die die Schüler für ihre Werkstatttage wählen können. Fokus in der zwei- oder dreitägigen Berufsorientierung sind die Berufe Sozialassistent/in und Erzieher/in.
Forum 4b: Soziale Berufsfelder – Pflege
Vorzeigeprojekt: bfz Bayern
Vorgestellt von: Veronika Hüttner, Lilian Mandl
Moderation: Guido Kirst und Rozaliya Dimitrova, Bundesinstitut für Berufsbildung
Praktische Erfahrungen im Themenfeld Gesundheit, Erziehung und Soziales vermitteln, ohne eine soziale Einrichtung zu besuchen – diesen Weg stellte das bfz Bayern vor. Damit die Schülerinnen und Schüler dennoch in Berührung mit dem „Werkstoff Mensch“ kommen, wird der Umgang mit Kleinkindern und alten Menschen im bfz Erlangen-Fürth simuliert.
Babybetreuung lernen mit der Schreipuppe
In den Werkstatttagen übernehmen die Jugendlichen einen Tag lang die Pflege elektronischer Babys, die auf die Bedürfnisse von echten Babys programmiert sind. Sie müssen die Puppen beruhigen, wenn sie schreien, ihre Windeln wechseln und sie füttern. Auch die Teilnehmenden aus dem Forum durften sich eine Weile um die Babys kümmern und ihre betreuerischen Qualitäten testen. Der Träger macht gute Erfahrung mit dieser Idee: Die Jugendlichen sind engagiert und bringen sich ein. Es seien sogar oft die Jungen, die einen guten Draht zu den Babys entwickeln.
Sensibilität entwickeln mit dem Altersanzug
Um den Jugendlichen auch den Umgang mit dem Alter und Senioren näher zu bringen, kommt im bfz Erlangen-Fürth ein Anzug zum Einsatz, der mit Hilfe von Gewichten, Handschuhen, Kopfhörern und Brille die körperlichen Einschränkungen des Alters simuliert. Durch das Tragen des Anzugs, bzw. die Betreuung der Klassenkameraden mit dem Anzug, erfahren die Jugendlichen, welchen Schwierigkeiten alte Menschen im Alltag begegnen – und entwickeln so ein besseres Gespür und Verständnis für deren Bedürfnisse. Auch zwei Teilnehmerinnen aus dem Forum schlüpften für kurze Zeit in den Alterssimulationsanzug und waren erstaunt, welche beeindruckend realistische Wirkung er hat.
In einem Gespräch im Anschluss an die Werkstatttage wird mit den Schülerinnen und Schülern über eigene ältere Verwandte sowie über Vor- und Nachteile der Ausbildungen in diesen Bereichen gesprochen.
Der Träger
Das bfz Bayern ist mit 24 Standorten und 150 Nebenstellen im gesamten Bundesland vertreten. Kernaufgabe ist unter anderem die Berufsorientierung und -vorbereitung in insgesamt 18 Berufsfeldern.
Forum 5a: Begeisterung wecken, Berufsfeldspektrum erweitern – Kraftfahrzeuge
Vorzeigeprojekt: Handwerkerinnenhaus Köln e.V.
Vorgestellt von: Martje Rohmann
Moderation: Carolin Kunert, Bundesinstitut für Berufsbildung
Nach wie vor wählen Schülerinnen in den Werkstatttagen typische Frauenberufe, Jungen typische Männerberufe. In diesem Form ging es um die Frage: Wie kann man dieser Tendenz entgegenwirken, also Berufsorientierung geschlechtersensibel umsetzen? Zum Beispiel: Wie wecke ich bei den Mädchen Begeisterung für das Berufsfeld Kraftfahrzeuge?
Die Berufswahl ist ein Prozess, der Zukunftsängste und damit verknüpft persönliche Krisen auslösen kann, so Rohmann in ihrem Vortrag. Vor allem die Koppelung der drei Faktoren Mädchen, Migrationshintergrund, und Hauptschulabschluss wirkten trotz eines abgesicherten Berufswunsches und nachweislich hohem Potenzial der Schülerin in handwerklich-technischen Berufsfeldern bei vielen Unternehmen häufig als Ausbildungsbarriere.
Rohmann erläuterte die verschiedenen Phasen der Berufsorientierung. Mit 13 Jahren sei der Suchraum in der Berufsorientierung, zumeist innerhalb der geschlechtstypischen Berufsfelder, für die Jugendlichen abgeschlossen. Das Berufsorientierungsprogramm steht damit vor einer besonderen Herausforderung, da die Jugendlichen ja gerade in diesem Alter die Werkstatttage absolvieren.
Lebensweltbezug und Selbstwirksamkeit
Die Arbeitsweise des Handwerkerinnenhauses zeichnet sich durch eine hohe Praxisnähe, weibliche Rollenvorbilder und den Lebensweltbezug der Projekte aus. Neben dem fortlaufenden Erwerb technischer Kenntnisse in fachgerecht ausgestatteten Werkstätten wird allen Beteiligten geschlechtersensible Beratung und Unterstützung angeboten. Rohmann demonstrierte den Forenteilnehmenden gute Praxis mittels der zwei Filme JAM! – Junge Aktion Mensch und girls4you.
In den Werkstatttagen legt der Träger einen besonderen Wert auf die Selbstwirksamkeit der Jugendlichen: praxisbezogene, eigenständige Arbeit an sinnhaften, möglichst selbst entwickelten Werkstücken. Dies wird ergänzt durch eine positive Haltung der Fachkräfte, Rollenvorbilder sowie die gemeinsame Reflexion darüber, wie die Kompetenzen der Jugendlichen zu technischen Berufen passen.
Der Träger
Das Handwerkerinnenhaus Köln e.V. (HWH) setzt sich seit 1989 dafür ein, Mädchen und in gewerblich-technischen Berufsfeldern zu fördern. Besondere Anliegen des Vereins sind die Stärkung von Mädchen und Frauen aller Kulturkreise, die Verbindung von Berufs- und Lebensplanung, das Auffächern des Berufsspektrums und damit einhergehend die Erhöhung der Partizipation. Ein wichtiges Element bildet hierbei der stetige Dialog mit allen Akteurinnen und Akteuren im Übergang Schule-Beruf (Jugendliche, Eltern, sowie Vertreterinnen und Vertretern von Schule, Wirtschaft, Verwaltung, Politik, etc.)
Forum 5b: Begeisterung wecken, Berufsfeldspektrum erweitern – Kosmetik/Körperpflege
Vorzeigeprojekt: STATTwerke e.V.
Vorgestellt von: Tatjana Fesenko und Ariane König
Weitere Referentin: Urte Tegtmeyer, Kompetenzzentrum Technik-Diversity-Chancengleichheit e.V.
Moderation: Carolin Kunert, Bundesinstitut für Berufsbildung
Bei STATTwerke e.V. findet das Berufsfeld „Kosmetik und Körperpflege“ an drei Tagen statt. Die Jugendlichen stellen in dieser Zeit Seifen und Badezusätze aus natürlichen Zutaten her und entwerfen eigene Rezepturen. An Tag drei erfolgt die Qualitätskontrolle; die Schülerinnen und Schüler fertigen ihre eigenen Beipackzettel und Verpackungen für ihre Produkte an.
Der Träger hatte die zur Herstellung benötigten Zutaten mitgebracht und präsentierte sie den Teilnehmenden. Dazu zählten ausschließlich natürliche Inhaltsstoffe wie Speisestärke, Salz, Zucker, Babymilchpulver, Natron oder ätherische Öle. König erläuterte, wie man Seife herstellt.
Der Träger
Der gemeinnützige Verein STATTwerke e.V. besteht seit 1981 und fördert sozial und ökologisch orientierte Projekte. Seine Arbeit konzentriert sich darauf, das nachhaltige Denken und Handeln der Schülerinnen und Schüler zu fördern.
Boys´ Day – der Jungen-Zukunftstag
In diesem Forum war außer einem Träger mit Urte Tegtmeyer vom Kompetenzzentrum Technik-Diversity-Chancengleichheit e.V. eine weitere Referentin vor Ort. In Verbindung zum Berufsfeld Kosmetik/Körperpflege stellte sie das Projekt „Boys´ Day - Jungen Zukunftstag“ vor. Der Aktionstag zu Berufsorientierung und Lebensplanung für Jungen wird einmal jährlich angeboten und gibt den Schülern die Möglichkeit, in Berufe hinein zu schnuppern, in denen Männer unterrepräsentiert sind.
Die Angebote zum Boys‘ Day haben sich in den letzten Jahren laut Tegtmeyer kontinuierlich ausgeweitet. Der Schwerpunkt der Ausweitung liegt hierbei vor allem im sozialen und erzieherischen Bereich, wobei die Nachfrage der Jungen nach Stellen in Kitas besonders hoch ist. Neben der Berufserkundung werden am Boys´ Day auch pädagogische Workshops angeboten. Der Trend Männer und Schönheit/Wellness zeige, dass sich auch Männer immer mehr für den Bereich Gesundheit und Körperpflege interessierten. Und: Jungen, die beim Boys´ Day in diesem Bereich tätig waren, weisen bei einer anschließenden Umfrage einen sehr hohen Zufriedenheitsgrad auf.
Vortrag Thomas Sattelberger: „Vom Kastensystem hin zur offenen Bildungsrepublik“
„Sie machen aufopferungsvolle, tolle Arbeit!“ Mit diesen Worten an die BOP-Akteure im Publikum eröffnete Thomas Sattelberger (ehem. Vorstand Deutsche Telekom AG, Initiative Neue Qualität der Arbeit) seinen Abschlussvortrag – eine kontroverse Betrachtung über die Probleme der deutschen Berufsausbildung.
Sattelberger zeigte zunächst die aktuelle Passungsproblematik auf: Rund 1,3 Mio. junge Menschen sind ohne Berufsausbildung und das, obwohl sowohl die Zahlen der unbesetzten Lehrstellen und die der unversorgten Bewerberinnen und Bewerber steigen. Probleme sieht Sattelberger hier vor allem im fehlenden Wissen der Schülerinnen und Schüler über ihre Möglichkeiten zur Berufswahl. Insbesondere der MINT-Bereich benötige mehr Initiative und Aufklärung bei den Jugendlichen, gerade auch um mehr weibliche Bewerber zu erreichen.
Die starre Talentphilosophie
Einer der Hauptkritikpunkte am System ist für Sattelberger die aktuelle Talentphilosophie. Parallel zur Gesellschaftsentwicklung und der Vielzahl an Möglichkeiten der Berufsausbildung werde auch der Talentbegriff immer diverser und komplexer. Auf diese Veränderung wird, kritisierte Sattelberger, in der Berufsausbildung nicht genügend reagiert. Man arbeite noch mit starren Abläufen und tradierten Strukturen, die auf die zunehmende Diversität nicht angemessen reagieren können. Besonders junge Menschen mit Migrationshintergrund oder aus bildungsfernem Milieu würden unter den derzeitigen Strukturen des „Kastensystems“ benachteiligt und „aussortiert“.
Berufsausbildung in Modulen
Eine umfassende Reform sei nötig, um dem Fachkräftemangel in Deutschland zu begegnen und möglichst viele Schülerinnen und Schüler in ihrem Wunschberuf unterzubringen. Die Berufsorientierung solle dabei vor allem auf dem Potenzial der Jugendlichen basieren und mit den bestehenden Normen brechen. Man müsse sich dabei besonders von der Bewertung der Absolventen durch Schulnoten verabschieden. Durch ein reformiertes und im Idealfall modularisiertes Berufsausbildungssystem könne man in Zukunft auch auf die Wellen junger Flüchtlinge reagieren.
„Die Gesellschaft und damit auch die Einstellung der Jugendlichen haben sich geändert. Junge Menschen lassen sich nicht mehr von oben herab einschätzen und behandeln“, konstatierte Sattelberger. Man müsse ihnen auf Augenhöhe begegnen und Anleitung sowie Hilfestellung bieten. Berufsorientierung solle nicht nur die Stärksten fit für den Arbeitsmarkt machen, sondern jedem Jugendlichen die Möglichkeit geben, die eigenen Wünsche, Stärken, Talente und Begabungen zu erkennen und sinnvoll zu nutzen. Dafür müssten alle Akteure an einem Strang ziehen und sich gleichermaßen einbringen.
Die Präsentation können Sie sich auf überaus (Community –> Gruppe Berufsorientierungsprogramm –> Dateiablage) anschauen.
Fazit
Mit dem diesjährigen Thema der Jahrestagung „Praxis erfahren“ wurde ein sehr wichtiger Bestandteil des Berufsorientierungsprogramms in den Mittelpunkt gestellt: die Werkstatttage, in denen die Schülerinnen und Schüler auf praktische, lebensnahe und begeisternde Art und Weise an die Berufe herangeführt werden.
Sowohl in den prämierten Projektbeispielen als auch in den Foren wurde deutlich, welches Potenzial dieser Einblick in die Praxis bietet, um dem Fachkräftemangel in verschiedenen Berufszweigen sowie Ungleichheiten, wie dem Frauenmangel in MINT-Berufen, entgegenzuwirken.
Der Parlamentarische Staatssekretär Stefan Müller sprach in seiner Begrüßungsrede von sich und den Teilnehmenden als „Überzeugungstätern“, begeistert von der Bedeutung der Berufsorientierung und dem Erfolg des Berufsorientierungsprogramms. Dieser Grundtenor – Überzeugung, Leidenschaft für den eigenen Beruf und die Fähigkeit, diese an andere weiterzugeben – zog sich durch die ganze Veranstaltung.
Gleichzeitig wurde an den zwei Tagen in Berlin deutlich, dass die Berufsorientierung weiterhin vor großen Herausforderungen steht, sei es durch die Probleme Jugendlicher mit Hauptschulabschluss oder Migrationshintergrund, die geringe Frauenquote in MINT-Berufen oder die anstehende Integration der jungen Flüchtlinge.
Mit neuen konkreten Ideen für ihre Werkstatttage, hinzugewonnenen Gesprächspartnern, gedanklichen Impulsen und ihrer ganzen Leidenschaft und Energie starten die BOP-Akteure nun ins Jahr 2016.
Autorenteam: Valentum Kommunikation
Fotograf: Stephan Röhl
Textredaktion: Anne Gassen
Bildredaktion: Julia Kreuzer
Film: Anne Gassen/Kamera: Klaas Sydow
Diashows: Valentum Kommunikation/Fotografin: Annegret Hultsch