Dokumentation der Tagung "Neue Welten erkunden – Digitalisierung in der Beruflichen Orientierung" : Datum: Ort: {0} Ort: Berlin und online
Welche Möglichkeiten bietet die Digitalisierung in der Beruflichen Orientierung? Auf der hybriden Tagung zum Berufsorientierungsprogramm 2022 tauschten sich über 1.100 Teilnehmende über die Zukunft der Beruflichen Orientierung aus.
Lesen Sie im Folgenden die gesamte Dokumentation zur Tagung oder springen Sie direkt zu bestimmten Inhalten.
- Exzellenzinitiative Berufliche Bildung
- Wettbewerb „D-BOP“ für digitale Berufliche Orientierung
- Ein Blick ins Jahr 2035: Leben und Arbeiten in einer global vernetzten Welt
- Digitale Potenziale in Handwerksberufen – Praxisbeispiele
- Jugendliche erkunden die Arbeitswelt von morgen: TouchTomorrow-Truck
- Welche Vorstellungen hat die junge Generation von Ausbildung und Beruf im digitalen Zeitalter?
- Messe und Hybrides Café
- Chancen und Grenzen digitaler Instrumente der Beruflichen Orientierung
- berufswahlapp und 360°-Berufsfeldpanorama
- Von EDV-Kenntnissen zur Data Literacy – Neue Wege für die Berufliche Orientierung
- Denken in Rundungen – Weichenstellung für die Bildung der Zukunft
- Foren
Wie digital kann die Berufliche Orientierung sein und was entzieht sich digitalen Formaten? Welche innovativen, praxisorientierten Lösungsansätze gibt es? Die junge Generation wächst mit digitalen Medien auf. Doch welche Medienkompetenz bringen die jungen Menschen für die Berufliche Orientierung tatsächlich mit? Wie müssen digitale Formate gestaltet sein, damit sie Jugendliche ansprechen? Diesen Fragen widmeten sich über 1.100 Teilnehmende aus Berufsbildungspraxis, Politik und Wissenschaft auf der Tagung zum Berufsorientierungsprogramm am 5. und 6. Dezember 2022.
Die Tagung fand erstmals hybrid statt. Über 400 Gäste kamen ins Berliner Congress Center, nochmals 700 Personen schalteten sich per Video hinzu – ein neuer Teilnahmerekord und der Beleg dafür, welchen Stellenwert das Thema Digitalisierung hat. Via Chat tauschten sich die online Teilnehmenden in Echtzeit mit den Teilnehmenden vor Ort zu laufenden Beiträgen aus und beteiligten sich an den Foren.
Exzellenzinitiative Berufliche Bildung
"Die Berufliche Bildung braucht einen Relaunch. Wir wollen beste Bildungschancen für jede und jeden schaffen“, sagte Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger in ihrer Eröffnungsrede. Sie gab den Startschuss für die Exzellenzinitiative Berufliche Bildung. Geplant sei, die Berufliche Bildung internationaler auszurichten: So sollen innovative Berufsbildungsangebote und eine moderne Berufsbildungsinfrastruktur entstehen. Die individuellen Chancen sollen besser gefördert und die Potenziale einer Ausbildung sichtbarer werden.
Mit einer weiteren Stärkung der Beruflichen Orientierung möchte die Ministerin junge Menschen bei der Berufswahlentscheidung noch besser unterstützen. Vor allem an Gymnasien müsse bekannter werden, wie attraktiv der berufliche Bildungsweg sei, um jene zu überzeugen, für die Berufliche Orientierung noch kein Thema ist. Dabei betonte sie, dass berufliche und akademische Bildung gleichwertig seien. „Wer nach der Schule den richtigen Weg findet, ist später auch im Job mit Herz und Verstand dabei“, so Stark-Watzinger.
Entsprechend werde die Förderrichtlinie für das Berufsorientierungsprogramm (BOP) modernisiert. Die Vielfalt der modernen Arbeitswelt und die sich ändernden Berufsfelder würden stärker berücksichtigt, so Stark-Watzinger. Zudem werde das Programm Berufliche Orientierung für Zugewanderte (BOF) weiter gefördert, denn darin liege ein Schlüssel für Integration. „Mit der Exzellenzinitiative erhält die berufliche Bildung einen Schub, sie wird attraktiver und moderner, wir machen sie als Aufstiegsmotor sichtbar, als Erfolgsgarant für jeden Einzelnen und für unser Land“, so Stark-Watzinger.
Wettbewerb „D-BOP“ für digitale Berufliche Orientierung
Um die Digitalisierung in der Beruflichen Orientierung zu fördern, rief die Bundesbildungsministerin im Anschluss auch noch den Wettbewerb „D-BOP“ aus. Das Ziel: erfolgreiche digitale Berufsorientierungsangebote auszeichnen und bekannter machen.
Die Angebote sollen Schülerinnen und Schülern Einblicke in die Berufs- und Arbeitswelt ermöglichen und dabei den Transfer „analoger“ beruflicher Erlebnisformen sowie das Erkunden eigener Kompetenzen, Fähigkeiten, Stärken und Interessen mit digitaler Technologie voranbringen. Ein weiterer Schwerpunkt des Wettbewerbs ist die Auseinandersetzung mit der sich wandelnden Arbeitswelt und den damit verbundenen Anforderungen.
Ein Blick ins Jahr 2035: Leben und Arbeiten in einer global vernetzten Welt
Wie sieht das Leben und Arbeiten in einer global vernetzten Welt aus? Zukunftsforscher Max Hergt warf in seinem Vortrag einen Blick in das Jahr 2035. Seine Prognose: Technologische Aspekte würden die Arbeitswelt noch stärker beeinflussen als bislang. Die Geschwindigkeit, mit der sich Dinge verändern, werde weiter an Fahrt gewinnen. Ein besonderes Thema sei das Sammeln riesiger Datenmengen. Demnach werde der Mensch 40 Mal mehr Daten produzieren als heute. Um dieses Volumen zu bewältigen, würden immer mehr Geräte, Software und Technologie in alle Lebensbereiche vordringen. „Daher müssen wir uns fragen, wie es um unsere Digitalkompetenz steht, vor allem bei der Generation der Heranwachsenden“, so Hergt.
Bei den Jüngeren sei zu beobachten, dass deren Start in die Welt ganz anders verlaufen sei als bei den Älteren. In der Beruflichen Orientierung gebe es daher eine Lücke zwischen jüngerer und älterer Generation – eine generelle Herausforderung, die bereits jetzt zu spüren sei. Zum Beispiel in der Art, wie man Dinge wahrnehme. Die junge Generation sei es gewöhnt, dass sie immer individuell und situativ wahrgenommen werde. Um darauf angemessen zu reagieren, solle man grundsätzlich anpassungsfähig und flexibel sein.
Anpassungsfähigkeit stellte der Zukunftsexperte als eine der wesentlichen Kernkompetenzen der Zukunft heraus. Zudem hätten Corona-Pandemie und Ukraine-Krieg gezeigt, wie wichtig es sei, die eigene Widerstandskraft zu stärken, um mit Tiefschlägen umgehen zu können. Die Arbeitswelt 2035 werde massive Veränderungen nach sich ziehen, etwa bei Jobbeschreibungen und Aufgabenprofilen, „die wir uns heute noch gar nicht vorstellen können“.
Fazit: Wenn mehr Technologie Einzug halte, sei es umso wichtiger, menschlich zu sein, aber auch wagemutig, um neue Dinge auszuprobieren, anders zu denken und zu handeln. Und den Weitblick zu schärfen, verschiedene Zukunftsszenarien zu entwerfen, den Best Case zu erreichen. „Wenn wir das alles berücksichtigen, werden wir wunderschöne Jahre miteinander verbringen“, so Hergt.
Die Präsentationen stehen auf überaus.de (Community –> Gruppe Berufsorientierungsprogramm –> Dateiablage) zum Download zur Verfügung.
Digitale Potenziale in Handwerksberufen – Praxisbeispiel
Welche digitalen Potenziale in Handwerksberufen stecken, zeigten zwei Praxisbeispiele aus der Zahntechnik und dem Gerüstbau. Früher wurde der Abdruck eines Gebisses aufwändig aus Gips handgefertigt. Heute wird ein kleiner digitaler Handscanner minutenschnell über die Zähne geführt. Aus den gelieferten Daten erstellt ein 3D-Drucker ein Modell.
Wo der Unterschied zwischen digitalem und analogem Arbeiten liegt, erläuterte Zahntechnikermeisterin Sonja Weiss (Dental Digital3, Freiburg). Digital bedeute, dass zum Beispiel eine kaputte Brücke leichter zu reproduzieren sei. Der Kontakt zur Kundin oder zum Kunden habe sich verbessert.
Auch die Kommunikation mit der Zahnärztin oder dem Zahnarzt sei direkter geworden. Insgesamt könne digital viel mehr hergestellt werden als analog. „Die Digitalisierung erspart Zeit, Arbeit und macht den Beruf des Zahntechnikers deutlich attraktiver“, so Weiss. Genau das sollte jungen Menschen in der Beruflichen Orientierung vermittelt werden – ein moderner Beruf mit handwerklichen Wurzeln, der digital „gekrönt“ sei.
Im Gerüstbau setzt die Firma Spanier & Bichler / Moselcopter aus Trier bereits seit mehreren Jahren Flugdrohnen ein. Eine Drohne überfliegt ein Gebäude, das eingerüstet werden soll, und erstellt Videoaufnahmen. Aus den Videos wird ein digitaler Gebäudezwilling berechnet, der wiederum die Grundlage für eine 3D-Gerüstplanung bildet. Daraus ergibt sich eine Liste mit den benötigten Teilen für das Gerüst.
Die Idee mit der Drohne hatte Gerüstbaumeisterin Jeanette Spanier: „Wir sollten ein historisches Gebäude einrüsten, für das es jedoch keine Bestandspläne gab.“ Inzwischen beschäftigt das Unternehmen 3D-Konstrukteure, die Gerüste digital zeichnen und planen. Für diesen Bereich gibt es Fortbildungen. Die Übergabe eines fertigen Gerüsts an den Kunden werde ebenfalls digital abgewickelt – über eine Smartphone-App. „Dadurch können wir jungen Menschen die beruflichen Perspektiven unseres klassischen Handwerksberufs klar aufzeigen“, sagte Spanier. Junge Menschen hätten wieder mehr Interesse am Beruf des Gerüstbauers. Sie wolle auch mehr Mädchen für eine solche Ausbildung gewinnen. Die 3D-Zeichnung sei bereits Pflichtfach in der Ausbildung.
Jugendliche erkunden die Arbeitswelt von morgen: TouchTomorrow-Truck
Im TouchTomorrow-Truck konnten sich Jugendliche über MINT-Berufe (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik) informieren. Schülerinnen und Schüler eines Berliner Gymnasiums erhielten an verschiedene Stationen Einblicke in Themen wie Robotik, Gedankensteuerung und Virtual Reality.
Im darauffolgenden Gespräch mit Moderatorin Kerstin Stromberg-Mallmann berichteten Arel, Liam, Otto und Rafet (Klassenstufe 11), wie sie den virtuellen Rundgang erlebt haben. Der Truck sei ein gelungenes Konzept und könne wertvolle Impulse für die eigene Berufliche Orientierung geben. „Das schönste Beispiel war ein kleiner Roboter, für den wir eine Software schreiben konnten. So wurde ein komplexes Thema wie die Steuerung von Robotern auf ein leicht verständliches Niveau heruntergebrochen“, so ein Schüler.
Welche Vorstellungen hat die junge Generation von Ausbildung und Beruf im digitalen Zeitalter?
Gutes Geld verdienen, Spaß bei der Arbeit haben, Beruf und Privatleben in Einklang bringen: Die „Generation Z“ habe ganz eigene Vorstellungen vom Arbeitsleben, so der renommierte Jugendforscher Prof. Klaus Hurrelmann in seinem Vortrag. Er stützte sich dabei auf Ergebnisse aktueller Jugendstudien. Demnach wollten Menschen unter 25 Jahren im Beruf möglichst wenig Stress, eine abwechslungsreiche Tätigkeit, eine angenehme Teameinbindung und viel Feedback. Der Fokus liege auf guten Chancen für die Weiterbildung und Angeboten zur Förderung der eigenen Talente. Eine flache Hierarchie werde bevorzugt. Zudem wolle die Generation Z von zuhause aus arbeiten, ihre Freizeit neben der Arbeit haben und sich im Beruf „nicht kaputtmachen“.
Die Sorge vor einem Burnout führe viele dazu, der Gesundheit viel Aufmerksamkeit zu widmen. Angesichts der gegenwärtigen Krisen wie Klimakrise und wirtschaftlicher Inflation sei dieses Verhalten nachvollziehbar, so Hurrelmann. Es sei jedoch nicht zu verwechseln mit dem so genannten „quiet quitting“. Der Generation Z werde zu Unrecht unterstellt, sie sei nicht bereit, im Beruf Überstunden zu leisten. Vielmehr sei festzustellen, dass sich die jungen Menschen vorsichtig an den Arbeitsprozess herantasten würden. „Wer neu in den Beruf eintritt, möchte es nicht genau so machen wie die ältere Generation“, so Hurrelmann.
Diese Interpretation konnten die Berliner Gymnasiasten Arel und Liam in einer Talkrunde mit Hurrelmann und Ines Weber, Vorstandsmitglied im Bundeselternrat, bestätigen. Den größten Einfluss auf die eigene Berufswahl hätten Eltern sowie Freundinnen und Freunde. Die von den Eltern empfohlenen Berufe passten jedoch nicht in die heutige Zeit. Daher sei dies nur als grobe Orientierung zu verstehen. Besser sei es, den eigenen Vorstellungen zu folgen, so die Schüler. Auch Weber betonte: „Am besten helfen Eltern, wenn sie sich auch selber orientieren, zum Beispiel auf Elternabenden oder Berufsmessen. Eltern können ihre Kinder auch unterstützen, indem sie Praktika organisieren“.
Messe und Hybrides Café
Raum für Networking und Erfahrungsaustausch bot, wie bei jeder Tagung zum Berufsorientierungsprogramm, die Messe zur Beruflichen Orientierung.
Im Hybriden Café ging es um die Frage: Wie grün und nachhaltig ist die Berufliche Orientierung? Es diskutierten Krischan Ostenrath (Wissenschaftsladen Bonn) und Zukunftsforscher Max Hergt mit Moderator Guido Kirst vom Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB). Das Publikum konnte sich am Veranstaltungsort und über einen Online-Chat an der Diskussionsrunde beteiligen.
Chancen und Grenzen digitaler Instrumente der Beruflichen Orientierung
In der Beruflichen Orientierung kommen bereits viele digitale Instrumente zum Einsatz, so Prof. Dr. Claudia Wiepcke und Marie Tuchscherer von der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe. Die beiden Wissenschaftlerinnen haben in einer Studie das Angebot in Deutschland untersucht. Demnach werden rund 200 verschiedene digitale Instrumente von Schulen und Bildungsträgern genutzt. Beispiele hierfür sind Apps, Spiele und Online-Hilfen wie „Sofatutor“.
Digitale Instrumente können mehr Nutzende erreichen, seien flexibel einsetzbar und steigerten die Lernmotivation, so Wiepcke über die Chancen für die Beruflichen Orientierung. Die Grenze digitaler Instrumente sei unter anderem die persönliche Ebene, so Tuchscherer.
Bei Videokonferenzen zum Beispiel trete die non-verbale Kommunikation in den Hintergrund. Auch könnten digitale Instrumente zu viele Reize beinhalten. Als Beispiel nannte Tuscherer einen Virtual Reality-Raum mit Musik, Videos und Links. Ihre Empfehlung: Digitale Angebote und deren Elemente sollten so strukturiert werden, dass keine kognitive Überlastung der Nutzenden stattfinde.
berufswahlapp und 360°-Berufsfeldpanorama
Mit der neuen „berufswahlapp“ wurde der analoge Berufswahlpass zu einem digitalen Portfolioinstrument weiterentwickelt, das die individuellen Berufswahlkompetenzen von Schülerinnen und Schülern fördert (siehe auch unten Forum 9). Welchen Mehrwert die neue berufswahlapp bietet, stellten Jens Stuhldreier und Anja Esser vom Land Nordrhein-Westfalen vor. Seit Sommer 2022 begleitet die berufswahlapp Schülerinnen und Schüler bei ihrer Beruflichen Orientierung. Das Portfolio-Instrument führt spielerisch an das Thema Berufswahl heran. Alle Schritte – von den ersten Überlegungen der beruflichen Interessen bis zum Einstieg in die Berufswelt – lassen sich in der App dokumentieren. Lehrkräfte unterstützen bei Fragen und geben Anregungen.
Einen Einblick in das Tool „360°-Berufsfeldpanorama“ im Berufsfeld Hotel- und Gaststättengewerbe gab Klaus Weber vom Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB). Er zeigte, wie Jugendliche dieses Berufsfeld auf multimediale, interaktive und spielerische Weise auf mobilen Geräten, über VR-Brillen oder einfach am PC erkunden können. Weitere Berufsfelder wie Elektro- und Pflegeberufe werden folgen und über das neue digitale Lernportal für Berufliche Orientierung der Fachstelle für Übergänge im BIBB bereitgestellt. An einem Ausstellungsstand konnten die Teilnehmenden der Tagung die interaktive Anwendung mittels VR-Brille erproben.
Weiterführender Link:
www.ueberaus.de/berufsfeldpanorama-hoga
Von EDV-Kenntnissen zur Data Literacy – Neue Wege für die Berufliche Orientierung
Der zweite Veranstaltungstag fokussierte sich intensiv auf die Anwendung digitaler Elemente in der Praxis der Beruflichen Orientierung. Manuel Epker vom Institut für Bildungskooperation (IfBk) erläuterte in seinem Vortrag: Datenkompetenz bzw. Data Literacy steht für die im 21. Jahrhundert notwendige Fähigkeit, Daten auf kritische Art und Weise zu sammeln, zu managen, zu bewerten und anzuwenden. „Früher waren EDV-Kenntnisse die Grundlage für den Computer-Führerschein, heute ist es Data Literacy“.
In einem individuellen Online-Test konnten die Teilnehmenden – live und direkt – erkunden, wie digital kompetent sie selbst sind. Im Anschluss präsentierte Epker zahlreiche konkrete Beispiele für eine digitalisierte Berufliche Orientierung: Das Konzept „Bring Your Own Device“ (das heißt: Schülerinnen und Schüler bringen ein privates mobiles Endgerät mit) ermöglicht in vielen Kontexten die Arbeit mit digitalen Instrumenten. In eine „Internetrallye“ startet man auf einer Website mit dem Ziel, in nur fünf Klicks auf einer anderen Website anzukommen. In einer anderen Übung wird eine Datei via Messenger verschickt, um von allen Nutzenden bearbeitet und an eine Mailadresse weitergeleitet zu werden. In einem weiteren Beispiel produzieren die jungen Menschen für ein Video-Blog (Vlog) eine eigene Geschichte (Storyline), die in drei verschiedenen Formaten aufbereitet wird.
Die Präsentationen stehen auf überaus.de (Community –> Gruppe Berufsorientierungsprogramm –> Dateiablage) zum Download zur Verfügung.
Auf den Vortrag von Manuel Epker folgten im Tagungsprogramm die Foren (siehe unten).
Denken in Rundungen – Weichenstellung für die Bildung der Zukunft
In einem inspirierendem Abschlussvortrag betrachtete Zukunftsexperte Roger Spindler vom Zukunftsinstitut in Frankfurt am Main den Megatrend der Digitalisierung aus Perspektive einer Lehrkraft und ihrer Karriere über 30 Jahre: 1985 lag der Fokus in der Ausbildung noch auf Wissensvermittlung, im Unterricht arbeitete man mit Papiervorlagen. Große Einschnitte erfolgten, als der erste Computer in das Lehrerzimmer Einzug hielt (1990) und der Internetanschluss hinzukam (1995). Wikipedia, Google und Facebook waren 2005 die dominierenden Werkzeuge und Plattformen. Die Einführung des Smartphones 2010 bedeutete eine weitere Zäsur. Nebenbei wurde die „gute alte Wandtafel“ durch das Whiteboard ersetzt. Zugleich wurde Youtube zum wichtigsten Aufgabenhelfer und WhatsApp stieg zum neuen „digitalen Pausenplatz“ auf.
Es seien vor allem Apps, die den Alltag der Menschen begleiten. Wie organisieren Nutzende ihre Apps auf dem Smartphone? Spindler ließ sich die Startbildschirme von 60 Lernenden zeigen. „Das war für mich eine unbekannte Reise in Raum und Zeit“, erklärte der Zukunftsforscher. Die Startbildschirme hatten eines gemeinsam: WhatsApp, Instagram, Netflix, und Snapchat sind die zentralen Tools – und bei niemanden war die App zum Telefonieren auf dem Startbildschirm eingesetzt. Was Spindler besonders überrascht habe: Nur wenige hätten eine Schul-App auf dem Startscreen eingefügt. Angesichts der Fülle an Schul-Apps „müsste doch ein Kommunikationsinstrument zu finden sein, dass so gut ist, dass es Schülerinnen und Schüler auf ihrem Startscreen haben.“
Bereits 2015 habe die Digitalisierung den Lernort Schule in allen Bereichen gefordert. Statt Wissensvermittlung seien Kompetenzen entscheidend geworden, da Wissen über Google jederzeit verfügbar sei. Die Corona-Pandemie habe 2020 dem Einsatz digitaler Medien einen Schub gegeben.
Spindler blickt ins Jahr 2025: Es werde nicht mehr nur ein Internet geben, sondern verschiedene Systeme und Geräte würden ins Klassenzimmer einziehen. Bislang fehle es in Schule jedoch an einer Strategie, wie diese vielfältigen Instrumente sinnvoll miteinander verknüpft werden.
Er fordert dazu auf, diesen Tools und Plattformen nicht alles zu überlassen, sondern vielmehr Räume zu schaffen, die neue Blickwinkel zulassen, die zum Entdecken und Forschen einladen. Er appellierte: „Diese Räume sind unsere Klassenzimmer, um über Vergangenes und Zukünftiges nachzudenken, um neue Geschäftsmodelle und Konzepte zu entwickeln, gesellschaftliche Trendlinien zu visualisieren und aus Innovationsgefängnissen auszubrechen. Bitte versuchen wir doch, unsere Schulzimmer wieder zum Leben zu erwecken.“
Die Präsentationen stehen auf überaus.de (Community –> Gruppe Berufsorientierungsprogramm –> Dateiablage) zum Download zur Verfügung.
Impressionen
Foren
Forum 1 | Was sind eigentlich Zukunftskompetenzen?
Referent/in: Roger Zimmerman, Next Entrepreneurs Organisation
Moderation: Gabriele Braun, Bundesinstitut für Berufsbildung
Seit 2018 führt der Unternehmer Roger Zimmerman mit seiner NEO Academy Workshops mit Schülerinnen und Schülern im Alter von 14 bis 18 Jahren durch. Ziel der Workshops ist, die Jugendlichen auf die Arbeitswelt von Morgen vorzubereiten.
Der Referent ging zunächst auf die Veränderungen der Arbeitswelt ein: „65 Prozent der Kinder und Jugendlichen werden bis 2035 in Jobs arbeiten, die es heute noch nicht gibt.“ Aktuelle Arbeitsprozesse könnten morgen ganz anders ablaufen.
Im Mittelpunkt der Future Skills Workshops steht der Aufbau von Zukunftskompetenzen. Dazu zählen unter anderem digitale Kompetenzen, Sozialkompetenzen und interkulturelle Kompetenzen, aber auch Kreativität, komplexes Problemlösen oder kritisches und analytisches Denken. Um den Schülerinnen und Schülern diese Kompetenzen zu vermitteln, nutzt Zimmerman Methoden wie zum Beispiel das Design Thinking, bei dem gemeinsam mit den Jugendlichen Lösungen für Probleme entwickelt werden.
Im Anschluss an den Vortrag entwickelte sich eine Diskussion unter den Teilnehmenden zu der Frage, inwiefern private Unternehmen verstärkt in die Schulen gehen sollten, um die berufliche Orientierung der Jugendlichen zu unterstützen.
Die Präsentation kann aktuell nicht zur Verfügung gestellt werden.
Forum 2 | Simulation realistischer Bürosituationen im Modellunternehmen
Referent/in: Sophia Gentner und Prof. Dr. Jürgen Seifried, Universität Mannheim
Moderation: Guido Kirst, Bundesinstitut für Berufsbildung
Wer im Büro arbeitet, weiß: Da kann schon mal Einiges gleichzeitig passieren. So muss man zum Beispiel E-Mails beantworten, während das Telefon klingelt, oder Dokumente fertigstellen, die an anderer Stelle dringend benötigt werden. In diesem Forum lernten die Teilnehmenden ein frei verfügbares Instrument kennen, mit dem sie das Berufsfeld „Verwaltung“ realitätsnah abbilden können. Im Vordergrund standen Tätigkeiten und Anforderungen, die jenseits der reinen Handhabung von Office-Programmen den Arbeitsalltag im Büro bestimmen.
Sophia Gentner und Jürgen Seifried von Universität Mannheim gaben einen Einblick in die LUCA Office Simulation. Herzstück der Simulation ist die veloCity GmbH, ein fiktives Zweiradgeschäft. In diesem Kontext müssen sich die Nutzerinnen und Nutzer mit typischen Bürosituationen auseinandersetzen.
Exemplarisch spielten die Vortragenden die Aufgabenstellung „Beschaffung neuer Smartphones für neue Kolleginnen und Kollegen“ durch: Per E-Mail kommt ein Auftrag herein – und nun müssen die Nutzerinnen und Nutzer verschiedenste Arbeiten umsetzen und sich dabei unterschiedlicher Office-Anwendungen bedienen. So sichten sie Angebote, übertragen Prüfergebnisse in eine Exceltabelle und vieles mehr. Um die Simulation möglichst realitätsnah zu gestalten, bleibt es natürlich nicht bei der einen E-Mail und dem einen Auftrag. Im Laufe der Zeit gehen weitere Mails ein, deren Inhalt auf seine Relevanz und Dringlichkeit hin überprüft und im Verhältnis zu bestehenden Aufgaben priorisiert werden muss. Zudem gilt es, die Uhr im Blick zu behalten, damit alle wichtigen Aufgaben auch fristgerecht bearbeitet werden.
Neben dem Modellszenario lernten die Teilnehmenden des Forums auch die verschiedenen Konfigurationsmöglichkeiten des Instruments kennen, über die sie an ihre Zielgruppe angepasste Lernszenarien entwickeln und sie mit anderen Nutzenden austauschen können.
Weiterführender Link:
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Forum 3 | Regionale Vernetzung und digitale Lernortkooperation
Referenten: Dr. Markus Ringer, Projekt der Allianz für berufliche Bildung in Ostbayern (ABBO),
Prof. Dr. Thomas Freiling, Hochschule der Agentur für Arbeit (HdBA)
Moderation: Sarah Immig, Bundesinstitut für Berufsbildung
Jugendliche für eine Ausbildung gewinnen – dies ist seit Jahren eine zentrale Herausforderung bei der Sicherung zukünftiger Fachkräfte. Dabei erschwert das veränderte Bildungs- und Berufswahlverhalten von Jugendlichen die passgenaue Besetzung von Ausbildungsstellen. In Forum drei wurde das Projekt der Allianz für berufliche Bildung in Ostbayern (ABBO) vorgestellt, das neue und digitale Lösungen entwickelt und erprobt, um den Herausforderungen der beruflichen Bildung und der Sicherung von Fachkräften zu begegnen.
Prof. Dr. Thomas Freiling von der Hochschule der Agentur für Arbeit (HdBA) führte zunächst in den wissenschaftlichen Hintergrund des Projektes ein und ging dabei insbesondere auf das Berufswahlverhalten Jugendlicher mit Blick auf aktuelle Kompetenzanforderungen ein. Im Anschluss daran präsentierte Dr. Markus Ringer als strategischer Projektleiter das Projekt ABBO.
Das Projekt schafft eine Verbindung von Berufsorientierung und -ausbildung, die bereits während der Schulzeit der Jugendlichen ansetzt: Sie durchlaufen eine sogenannte „Frühausbildung“ parallel zur Schulzeit und lernen so erste Grundfertigkeiten aus Bereichen der Metall- und Elektroindustrie kennen. Zudem wird die Berufswahlkompetenz während dieser Zeit gefördert. Auf diese Weise sollen sich für die Jugendlichen direkt im Anschluss an die Schulzeit passgenau Perspektiven auf dem Ausbildungsmarkt ergeben.
Das Projekt beinhaltet weitere Projektbausteine; so wird u.a. die regionale Vernetzung und die digitale Lernortkooperationen weiterentwickelt und gefördert. Bildungsinteressierte, Schulen, Institutionen und Unternehmen werden im virtuellen ABBO-Campus in einem regionalen Netzwerk zusammengebracht.
Im Anschluss an die Vorstellung des Projekts entstand ein intensives Gespräch u.a. zu der Frage, wie sich das Projekt auf andere Regionen im Raum, aber auch auf unterschiedliche jugendliche Zielgruppen übertragen lässt. Da das Projekt noch am Anfang der Umsetzungsphase steht, bleibt der Blick in die Region Ostbayern mit seiner Allianz für Berufliche Bildung weiterhin spannend und es lohnt sich, die weiteren Entwicklungsschritte zu verfolgen.
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Forum 4 | Anwendungen für die pädagogische Begleitung: Ressourcen aktivieren, Reflexionsräume schaffen, Beziehung gestalten
Referent: Dr. Ulrich Weiß, Kolping Hochschule Köln
Moderation: Anna Hetzinger, Bundesinstitut für Berufsbildung
In der Begleitung von Übergängen fällt auf, dass viele Jugendliche kein spezifisches Interesse an einzelnen Berufswegen mitbringen, sondern desorientiert wirken oder sogar eine Abwehrhaltung zeigen. Hier helfen keine zusätzlichen Informationsangebote. Vielmehr ist es sinnvoll, auf der Beziehungsebene in Zusammenarbeit mit den Jugendlichen zu ermitteln, was überhaupt die Eckpunkte eines gelingenden Lebens sind und welche Ressourcen für das Erreichen kleiner und großer Ziele zur Verfügung stehen.
Im Projekt „Digitales Lernportal für den Übergang Schule – Beruf“ des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) wurden Anwendungen für die anerkennungssensible Begleitung konzipiert. Diese digitalen Module zur Reflexion im Berufsorientierungsprozess wurden gemeinsam von der Fachstelle überaus im BIBB und der Kolping Hochschule Köln entwickelt.
Der Referent Dr. Ulrich Weiß von der Kolping Hochschule Köln präsentierte die entwickelten Anwendungen, setzte sie in einen pädagogischen Kontext und diskutierte die Nutzungsmöglichkeiten mit den Teilnehmenden. Zur besseren Einordnung der Module skizzierte er zunächst die pädagogischen Grundannahmen. Die Entwicklung der Module basiert auf einem rekursiven Verständnis erwerbsbiografischer Reflexionsprozesse. Im Zentrum stehen Dynamiken der Anerkennung und der Selbstbestimmung, die sich gegenseitig bedingen und die für junge Menschen wiederum bedeutsam für ein individuelles Erleben von Handlungsfähigkeit sind. Die Dynamiken entwickeln sich im Handeln von Menschen; im Erleben von Erfolgen und Handlungsspielräumen in individuell relevanten Kontexten, sei es in der Schule, im Kontakt mit der Peer Group, im Sportverein, im Nebenjob oder in Praktika. In der Begleitung von Übergängen geht es darum, diesen Prozess reflektierbar zu machen.
Alle vier Anwendungen sind, mit unterschiedlichen Schwerpunkten, dazu geeignet, diese für das erwerbsbiografisch-eigenständige Handeln bedeutsamen Aspekte mit Jugendlichen zu thematisieren. Ziel ist es, Schritt für Schritt Fragmente der beruflichen Orientierung zu benennen und zum Gesprächsgegenstand zu machen, sie zu ordnen, nächste Schritte zu entwickeln und Zwischenstände festzuhalten. Hierbei sind nicht nur unmittelbar erwerbsbezogene Aspekte von Bedeutung, sondern auch lebensweltliche Bedingungen wie Freundschaft, elterliche Erwartungen und Ressourcen verschiedener Art. Die Anwendungen zielen nicht auf einen Aha-Effekt, sondern sind dazu geeignet, die individuellen Bedingungen für emanzipierte Entscheidungen in kleinen Schritten bearbeitbar zu machen.
Im Plenum wurde diskutiert, für welche Zielgruppe sich die Anwendungen eignen und ob es Möglichkeiten gibt, die Module auch in „Leichter Sprache“ anzubieten. Herr Weiß betonte im Austausch mit den Teilnehmenden, dass die Module nicht in erster Linie entwickelt wurden, damit Schülerinnen und Schülern sie in Einzelarbeit nutzen. Vielmehr sollen sie im Gespräch des Jugendlichen mit einer pädagogischen Fachkraft begleitend eingesetzt werden. Dabei liegt es auch in der Hand des Pädagogen, individuell auf den Jugendlichen einzugehen und ggf. die Komplexität einzelner Module (sprachlich) zu reduzieren.
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Forum 5 | Digitale Kompetenzen Lernender: Wie können digitale Tools sinnvoll in die Berufliche Orientierung eingebettet werden?
Referent: Manuel Epker, Institut für Bildungskooperation Münster
Moderation: Carolin Kunert, Bundesinstitut für Berufsbildung
Wer einen Blick auf die KMK-Strategie zur „Bildung in der digitalen Welt“ oder den Europäischen Kompetenzrahmen zu digitalen Kompetenzen wirft, mag sich die Frage stellen: Wie soll ich all das leisten? Dieser Eingangsfrage begegnete Referent Manuel Epker vom Institut für Bildungskooperation (IfBk) mit der Anregung, die Komplexität bestehender Kompetenzmodelle zu reduzieren und sie für die eigene berufliche Praxis einzugrenzen. Dabei knüpfte er an seinen vorherigen Vortrag im Plenum „Von EDV-Kenntnissen zur Data Literacy“ (siehe oben) an.
Manuel Epker stellte dar, was zur Gestaltung des digitalen Lernraums und einer digitalen Methodik und Didaktik besonders wichtig ist, und erläuterte das vom IfBk entwickelte KATER- Modell. „KATER“ steht für „Kennenlernen“, „Aktivieren“, „Themen präsentieren“, „Explorieren und Diskutieren“ sowie „Reflektieren und Transformieren“. Zum Verhältnis von Technik und Didaktik betonte Epker: „Nicht alles, was technisch machbar ist, ist auch didaktisch sinnvoll. Und nicht alles, was didaktisch sinnvoll ist, ist technisch machbar.“
In Murmelgruppen tauschten sich die Teilnehmenden anschließend dazu aus, was ihnen beim Einsatz digitaler Tools einerseits schon misslungen ist und womit sie andererseits besonders gute Erfahrungen gemacht haben. Die Erfahrungen aus der Praxis zeigen zum Beispiel, wie wichtig es in der Arbeit mit Jugendlichen ist, die Netiquette klar zu kommunizieren und sich auf Verstöße vorzubereiten.
In Form einer Mentimeter-Umfrage schätzten sich die Teilnehmenden selbst ein, wie sie sich sowohl technisch als auch pädagogisch-didaktisch für die Arbeit mit digitalen Tools aufgestellt fühlen. Die Antworten fielen erfreulich positiv aus: Knapp 80 Prozent der Teilnehmenden schätzten die eigenen technischen Kenntnisse und Ausstattung (eher) positiv ein. Und nahezu ebenso viele trauten sich (eher) zu, digitale Tools pädagogisch-didaktisch gut in die Potenzialanalyse oder die Werkstatttage einzubetten.
Zum Abschluss wurde die Frage diskutiert, welches das richtige Gleichgewicht von Pädagogik und Technik für den erfolgreichen Einsatz digitaler Tools ist. Die Meinungen zu dieser Frage gingen weit auseinander, eine leichte Mehrheit gab der Pädagogik das höhere Gewicht. Viel Zustimmung erhielt die Aussage, dass es sehr von der konkreten Zielgruppe und dem Kontext abhängt, welche digitalen Tools technisch und didaktisch sinnvoll sind.
Weiterführender Link:
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Forum 6 | Die Zukunft arbeitet anders: Kompetenzen im Zeitalter Künstlicher Intelligenz
Referent/in: Thomas Schmidt und Jutta Schneider, HELLIWOOD media & education
Moderation: Gabriele Braun, Bundesinstitut für Berufsbildung
In einem interaktiven Workshop führen Jutta Schneider und Thomas Schmidt die Teilnehmerinnen und Teilnehmer durch das Internet und zeigen ihnen, wie die Themen Künstliche Intelligenz (KI) und Future Skills mit Jugendlichen mittels kleiner Anwendungen thematisiert werden können.
Über einen kurzen Wissenstest zeigten sie auf, was KI bereits leisten kann und was noch nicht. Bei der Anwendung Which Face Is Real? musste das Publikum zwei Bilder betrachten und entscheiden, welches der beiden das Foto einer realen Person ist und welches von einer künstlichen Intelligenz erschaffen wurde.
Zum Schluss stellten die Vortragenden ihre kostenlos erhältliche Future Skills Box vor. Schwerpunkt dieser Box ist die Vorbereitung der Schülerinnen und Schüler auf die veränderte Arbeitswelt im Zeitalter Künstlicher Intelligenz. Die Jugendlichen erhalten einen Einblick in Zukunftsberufe und erweitern ihr Wissen über Anwendungsfelder von Künstlicher Intelligenz. Sie lernen, welche Rolle Kompetenzen wie Kreativität, Urteilsvermögen und Eigenverantwortung spielen werden, gehen als „Stärkendetektive“ auf Spurensuche und reflektieren dabei ihre eigenen Kompetenzen für die Zukunft.
Sämtliche verwendete Links und Anwendungen des Forums stehen unter den Lernmaterialien der Online-Akademie zur Verfügung.
Weiterführende Links:
https://www.it-fitness.de/Akademie/2724_Ueberblick.htm
https://www.it-fitness.de/Projekte/2672_Lernmaterialien_Future_Skills_Box.htm
Forum 7 | Interaktive Augmented Reality im Handwerk
Referent: Jens Hofmann, Sächsische Bildungsgesellschaft für Umweltschutz und Chemieberufe Dresden
Moderation: Guido Kirst, Bundesinstitut für Berufsbildung
Seltene, teure und empfindliche Pflanzenarten in der Hand von Auszubildenden?! Mit sogenannten „digitalen Zwillingen“ (digital twins) kein Problem. Mithilfe einer Datenbrille können Auszubildende simulieren, was passiert, wenn sie Änderungen bei Temperatur, Licht und Feuchtigkeit vornehmen, ohne das Leben einer echten Pflanze zu gefährden. Dies ist ein Praxisbeispiel des EU-Projektes DIGI4VET (2018-2021). Ein weiteres Anwendungsszenario ist der Einsatz einer Virtual-Reality-Trainingslösung für das Malerhandwerk. Hier können Auszubildende mit einer Virtual-Reality-Brille (VR-Brille) in einer interaktiven Lernumgebung üben, welche Werkzeuge und welche Abläufe notwendig sind bei der Untergrundvorbereitung sowie beim Beschichten einer Wand mit Farbe.
Wie diese Anwendungen im Detail aussehen und wie sie in der Ausbildung und in der Beruflichen Orientierung genutzt werden könnten, war Thema in Forum 7. Referent Jens Hofmann, Projektleiter in der Sächsischen Bildungsgesellschaft für Umweltschutz und Chemieberufe Dresden, nahm die Teilnehmenden des Forums per VR-Brille mit in die Welten der Floristik und des Malerhandwerks. Die Teilnehmenden konnten am Bildschirm und auf der Leinwand verfolgen, was Auszubildende beim Einsatz der Brillen zu sehen bekommen. Jens Hofmann erläuterte, welche Chancen die Virtual- und Augmented-Reality in Ergänzung zu klassischen Szenarien von Ausbildung und Beruflicher Orientierung bietet.
Anschließend wurde erörtert, wie die vorgestellten Instrumente im Berufsorientierungsprogramm oder in anderen Angeboten zur Beruflichen Orientierung genutzt werden können und welche Angebote die Sächsische Bildungsgesellschaft für Umweltschutz und Chemieberufe Dresden zur Verfügung stellt.
Weiterführender Link:
https://www.sbg-dresden.de/aktuelles/projekte/digi4vet
Die Präsentationen stehen auf überaus.de (Community –> Gruppe Berufsorientierungsprogramm –> Dateiablage) zum Download zur Verfügung.
Forum 8 | An einem Strang ziehen – Gelungene Kooperationsbeziehungen von Verbundpartnern
Referentin: Uta Voigt, Ferdinand-Braun-Institut/Aus- und Weiterbildungsnetzwerk Hochtechnologie (ANH) Berlin
Moderation: Sabine Vogelfänger, Bundesinstitut für Berufsbildung
Referentin Uta Voigt beleuchtete das Thema „Lernortkooperationen“ unter dem Aspekt des Tagungsthemas „Digitalisierung in der Beruflichen Orientierung“. Sie stellte das bis 2024 laufende InnoVET-Verbundprojekt „BM = x³“ vor, das sie koordiniert. Über das Projekt wird eine dezentrale, bundesweite überbetrieblichen Bildungsstätte zur Aus-, Fort- und Aufstiegsfortbildung in der Mikro- und Nanotechnologie etabliert. Mehrere Verbundpartner bündeln ihre Kompetenzen in der beruflichen und akademischen Bildung, um hochwertige Angebote für die Fachkräfteausbildung zu schaffen und Nachwuchs für die Branche zu gewinnen. Durchlässigkeit spielt eine wichtige Rolle beim Aufbau der Bildungsangebote. Eine digitale Lernplattform unterstützt das Blended Learning. Dazu gehört auch ein virtuelles Technologielabor, das beispielsweise Einblicke in die Arbeit in sogenannten „Reinräumen“ ermöglicht.
Die Branche der Mikro- und Nanotechnologie wird hierzulande mit hoher Wahrscheinlichkeit an Bedeutung gewinnen. Jugendliche haben, wie Frau Voigt erläuterte, derzeit fast schon eine Übernahmegarantie nach der Ausbildung. Die Herausforderung für die Verbundpartner bestehe nun unter anderem darin, die Branche bei Jugendlichen bekannter zu machen, denn diese könnten sich bislang kaum etwas unter einer Tätigkeit in der Mikro- und Nanotechnologie vorstellen.
Voigt stellte in ihrem Vortrag mit zusätzlichen filmischen Einblicken einige handlungsorientierte Maßnahmen der Beruflichen Orientierung vor. Dazu gehören der Mädchen-Technik-Kongress, der durch das ANH organisiert wird, sowie PHABLABS 4.0 – ein EU Projekt, in dem Workshops für Makerspaces entwickelt wurden, um unterschiedlichen Alters-/Zielgruppen die Photonik verständlich und zugänglich zu machen. Es gibt Überlegungen, ob und wie die Maßnahmen der Beruflichen Orientierung in der Branche Mikro- und Nanotechnologie ausgeweitet werden könnten.
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Die Präsentationen stehen auf überaus.de (Community –> Gruppe Berufsorientierungsprogramm –> Dateiablage) zum Download zur Verfügung.
Forum 9 | Berufliche Orientierung digital – Die berufswahlapp als Mittler zwischen analogen und digitalen Lernwelten
Referentin: Melanie Schall, Institut für Technik und Bildung Bremen
Moderation: Anna Hetzinger, Bundesinstitut für Berufsbildung
Digitale Medien sind heute ein ständiger Alltagsbegleiter unserer Schülerinnen und Schüler. Diese dokumentieren per Smartphone als wichtig empfundene Eindrücke und Ereignisse am Ort des Geschehens oder teilen sie über soziale Netzwerke. Der Lern- und Erfahrungsraum junger Menschen erweitert sich so zunehmend ins Virtuelle. Die berufswahlapp greift dieses Mediennutzungsverhalten auf und verbindet es mit den etablierten Lernanlässen der schulischen Beruflichen Orientierung. Die berufswahlapp wird so zum Vermittler zwischen analogen und virtuellen Lernanlässen auf dem Berufsorientierungsweg.
Forum 9 widmete sich der Frage, wie Lehrkräfte ihre Schülerinnen und Schüler in deren Berufswahlprozess mit Hilfe eines e-Portfolios pädagogisch begleiten können. Anhand praktischer Beispiele wurden didaktische Einsatzmöglichkeiten und Potenziale der berufswahlapp vorgestellt.
Referentin Melanie Schall vom Institut für Technik und Bildung Bremen erläuterte zunächst den konzeptionellen Grundgedanken der Portfolioarbeit, auf der sowohl der Berufswahlpass in Papierform als auch die daraus hervorgegangene berufswahlapp basieren. Anschließend skizzierte sie den Aufbau der berufswahlapp. Zur besseren Veranschaulichung der einzelnen Funktionen und Werkzeuge stellte sie sowohl die Lehrer- als auch die Schüleransicht der App vor.
Beispielhaft erläuterte Schall den Einsatz der berufswahlapp anhand eines Besuchs einer Ausbildungsmesse. Im Zentrum stand dabei die Vor- und Nachbereitung des Besuchs über die App. Abschließend wurden Chancen und Gelingensfaktoren für die Nutzung der berufswahlapp im Unterricht benannt.
Aus dem Plenum wurde angemerkt, dass die pädagogischen Fachkräfte der Bildungsträger, die mit den Schülerinnen und Schülern berufsorientierende Maßnahmen durchführen, intensiver in die Konzeption der App involviert werden sollten. Weitere Hinweise betonten die Notwendigkeit von Schnittstellen zu anderen digitalen Angeboten sowie der Einbindung von Eltern bei der Arbeit mit der berufswahlapp.
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Forum 10 | Digitale Kompetenzen Lernender: Haben die Digital Natives die erforderlichen Kompetenzen?
Referentin: Dr. Ilona Cwielong, Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule (RWTH) Aachen
zusätzlich als Diskutant: Manuel Epker, Institut für Bildungskooperation Münster
Moderation: Carolin Kunert, Bundesinstitut für Berufsbildung
Der Kompetenzrahmen aus der KMK-Strategie zur „Bildung in der digitalen Welt“ stellt digitale Kompetenzen für die Lernenden äußerst komplex dar. Gleichzeitig werden digitale Kompetenzen dort als neue Kulturtechnik wie Lesen, Rechnen und Schreiben bezeichnet. Doch wie digital kompetent sind die sogenannten „Digital Natives“ wirklich? Welche Kompetenzen können die pädagogischen Fachkräfte in der Beruflichen Orientierung beim Einsatz digitaler Tools voraussetzen?
Dr. Ilona Cwielong von der RWTH Aachen untersucht, wie Jugendliche Medien in der Freizeit zum Lernen nutzen und über welche digitalen Kompetenzen und Lernstrategien sie verfügen. Die ernüchternde Bilanz: Nur 1,9 Prozent der Achtklässlerinnen und Achtklässler verfügen über sehr elaborierte computer- und informationsbezogene Kompetenzen, zu denen z.B. das sichere Bewerten und Organisieren selbständig ermittelter Informationen gehört. Dies ist beunruhigend, denn Informationskompetenz spielt eine wichtige Rolle für die Berufliche Orientierung und andere formale Lernzusammenhänge.
Die Forschung zeigt auch, dass Jugendliche sich Information weniger textbasiert aneignen als vielmehr visuell oder audiovisuell: Videos und Bilder sind für Jugendliche das Tor zur Welt. Likes/Dislikes, Anzahl der Views und Kommentare sind für sie leitende Qualitätskriterien. Rund 50 Prozent der befragten Jugendlichen geben z.B. an, durch Videos mehr Informationen über Berufe zu bekommen, die sie interessieren, als in der Schule. In der Studie wird auch deutlich, dass Jugendliche zwar digitale Medien zur Informationssuche verwenden, zu deren Verarbeitung aber weiterhin analoge Lernstrategien anwenden. Bildungshintergrund und soziale Herkunft spielen insbesondere bei dem Zugang zur erforderlichen Technik eine große Rolle: Nahezu alle Jugendlichen nutzen ihr Smartphone für den Zugang zum Internet, doch bei weitem haben nicht alle ein stabiles W-Lan zu Hause.
Die sich an den Impulsbeitrag anschließende Diskussion mit Dr. Ilona Cwielong und Manuel Epker startete mit der folgenden Mentimeter-Umfrage unter den Teilnehmenden: Wer muss sich anpassen? Die digitalen Angebote an das Mediennutzungsverhalten der Jugendlichen – oder die Jugendlichen an die bestehenden Angebote? Die Mehrheit der Teilnehmenden tendierte eher zur Anpassung an das Mediennutzungsverhalten der Jugendlichen. Die Frage wurde im Anschluss kontrovers diskutiert. So wurde z.B. angemerkt, dass Jugendliche alternative Strategien und Kommunikationsformen zur alterstypischen Abgrenzung benötigen und erwachsene Lehrende dem nur „hinterherhecheln“ können.
Diskutiert wurde auch die Frage, wie Videos beschaffen sein müssen, um für Jugendliche attraktiv zu sein und damit selbstmotiviertes Lernen zu unterstützen. Lebensweltnähe und die persönliche Ansprache idealerweise durch Gleichaltrige („Betroffenheit“) sind dabei wichtige Gestaltungsmerkmale.
Abschließend wurde festgehalten, dass der Einsatz digitaler Tools und Medien in der Beruflichen Orientierung und anderen formalen Lernzusammenhängen immer einer guten pädagogischen Begleitung bedarf – nicht nur, aber auch um Chancengleichheit zu unterstützen.
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